Horst Seehofer ist angeschlagen: Wann dankt er ab?

„Es wird ein langes Siechtum“: Horst Seehofer ist gesundheitlich angeschlagen, die CSU-Wähler vertrauen ihm nicht mehr. Doch es gibt keinen Revolutionsführer. Die Partei ist ratlos.
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Horst Seehofer im Regen
dpa Horst Seehofer im Regen

MÜNCHEN - „Es wird ein langes Siechtum“: Horst Seehofer ist gesundheitlich angeschlagen, die CSU-Wähler vertrauen ihm nicht mehr. Doch es gibt keinen Revolutionsführer. Die Partei ist ratlos.

Seine sprichwörtlich dicke Haut ist dünn geworden. Horst Seehofer hat sich in den letzten Tagen verändert – nicht nur wegen seiner schweren Erkältung, die er einfach nicht los wird. Er ist in sich gekehrt. Tief verletzt und betroffen kämpft er um seine Reputation. Jetzt hat ihm auch noch die eigene CSU-Gefolgschaft das Vertrauen entzogen: Nur noch 49 Prozent der schwarzen Anhänger vertrauen dem Parteivorsitzenden (siehe unten). Das ist für ihn, der sich selbst als großen Heilsbringer sah, ganz bitter.

Nie wieder wird Seehofer der große Strahlemann sein. Das weiß auch er. Sein Zauber ist verflogen. Nicht mal mehr bei Quelle nehmen sie ihm ab, dass er die Mitarbeiter retten wollte. Viele unterstellen ihm, er habe in Wahrheit nur sich selbst und die CSU über die Bundestagswahl retten wollen, wie mit all seinen anderen Versprechungen auch.

Wie soll es in der CSU nur weitergehen? Vor einem Jahr hat sich die Partei Seehofer ausgeliefert – jetzt ist sie ihm gnadenlos ausgeliefert. Die einst vor Kraft strotzende CSU ist ratlos, hilflos, niedergeschlagen, verzweifelt, verärgert und verängstigt. „Wir haben inzwischen alle Stimmungslagen“, sagt ein Spitzenfunktionär.

Denn der Partei bleibt nur das Warten auf ein geordnetes Abdanken Seehofers als Parteichef und bayerischer Ministerpräsident. Und die große Hoffnung, dass sich alles von selber lösen wird. Einer aus der CSU-Spitze bringt die ganze Tragik auf den Punkt: „Wir stellen uns auf eine längere Zeit des Siechtums mit Seehofer ein.“

Doch so, wie einst bei Edmund Stoiber, wird es diesmal nicht werden. Die Revolutionäre von einst sind müde. „Man kann nicht in drei Jahren drei Parteichefs und Ministerpräsidenten absägen“, sagt ein Strippenzieher. „Das würde die CSU endgültig zerreißen.“ Ein Aufstand ist nicht in Sicht. Wie Jeanne d’Arc hatte damals die Fürther Landrätin Gabriele Pauli immer mehr Unzufriedene hinter sich versammelt und Stoiber zur Strecke gebracht.

Möglich war das nur, weil sich in der Partei ein Gegen-Machtzentrum gebildet hatte: Günther Beckstein und Erwin Huber. Im Hintergrund lauerte Seehofer auf seine Chance. Die war nach einem Jahr da. Aber nur, weil er einen Racheengel zur Seite hatte: Stoiber zog die Fäden. Über Nacht waren Beckstein und Huber Vergangenheit.

Wer sollte nun Seehofer davonjagen? Die dumpfe Unzufriedenheit in der CSU, das Murren und Schimpfen, die Rücktrittsforderungen von der Basis, der Ärger und die Enttäuschung haben diesmal kein Ventil.

Es gibt keine Revolutionsgrüppchen, die sich formieren. Es gibt keinen Revolutions-Führer und auch keinen Strippen-Zieher. Vor allem aber fehlt der CSU diesmal das Machtzentrum, das sofort die Regierung in Partei und Staat übernehmen könnte. Die Mehrheiten bei den Schwarzen sind völlig instabil. Ginge es nur um den Parteichef, wäre die Sache mit Karl-Theodor zu Guttenberg klar. Doch wer soll dann in München den Bayern-Thron erben?

Zwar haben sich die Kronprinzen Guttenberg und Markus Söder geeinigt. Der Baron will in Berlin bleiben und strebt den CSU-Vorsitz an. Als Revolutionsführer aber lässt er sich nicht missbrauchen. Er kann ganz cool abwarten, bis ihm das Amt auf dem silbernen Tablett präsentiert wird.

Auch Söder ist nicht dumm. Er will in Bayern bleiben. Er hat große Ambitionen auf das Amt des Ministerpräsidenten – aber noch keine Mehrheit. Deshalb stärkt er Seehofer den Rücken: „Er ist und bleibt die Nummer eins der CSU“, sagt Söder.

Dazu kommt: Er und Guttenberg sind Franken. Für die Oberbayern einer zu viel: Sie setzen auf Finanzminister Georg Fahrenschon. Er gilt als kompetent aber langweilig. Mit von der Partie ist auch Sozialministerin Christine Haderthauer. Dazu stehen noch die Kandidaten von 2008 in den Startlöchern: Innenminister Joachim Herrmann (Franke) und Fraktionschef Georg Schmid (Schwabe). Misstrauisch beäugen sich alle gegenseitig, vorpreschen will keiner.

Mit einem Wechsel Seehofers nach Berlin rechnet deshalb niemand in der CSU. Schließlich hat er sich festgelegt, in Bayern zu bleiben. Das wäre der nächste Vertrauensbruch. Jeder würde die Flucht in die Bundeshauptstadt mit seiner privaten Situation in Verbindung bringen.

Was aber bleibt dann noch? Seehofer könnte einfach hinschmeißen, sich sein langes Siechtum ersparen. Seine Kraft ist am Ende, seine Gesundheit schwer angeschlagen. Davor hat die CSU am meisten Angst. „Dann haben wir nur noch einen Trümmerhaufen. Es macht keinen Sinn, sich jetzt zu zerreiben“, sagt ein CSU-Präside. Edmund Stoiber tut alles, um Seehofer zu stabilisieren.

Zwei Jahre hat der angeschlagene Parteichef nun Zeit, um sein Haus zu bestellen und seinen Abgang vorzubereiten. 2011 steht der CSU-Vorsitzende bei den Delegierten wieder zur Wahl. Falls nicht doch noch ein Schwelbrand entsteht. So ergeben sich die Schwarzen nun ihrem Schicksal. Am Montag werden sich die Delegierten auf dem „kleinen Parteitag“ hinter ihren Vorsitzenden Seehofer stellen und den Koalitionsvertrag abnicken. Eine rein rationale Entscheidung. Sie haben eh keine andere Wahl, sonst würde die schwarz-gelbe Koalition in Berlin platzen.

Seehofers Rettung aber ist das nicht. Ein CSU-Spitzenpolitiker: „Alle sagen: ,So kann’s nicht weiter gehen. Aber schau mer mal.’“

Angela Böhm

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