Horst Seehofer im Glück: Mister-Fast-50-Prozent

Für die SPD geht’s im Freistaat kaum noch schlimmer: Laut vorläufigem amtlichen Endergebnis rutschte sie bei der Europawahl auf ein historisches Tief von 12,9 Prozent. Grund zur Freude dagegen sah die CSU: Sie kam auf fast 50 Prozent im Freistaat und zieht locker wieder ins Europaparlament ein. Die Grünen holten 11,5 Prozent, die FDP 9,0, die Linke 2,3 und die Freien Wähler 6,7 Prozent.
von  Abendzeitung

MÜNCHEN - Für die SPD geht’s im Freistaat kaum noch schlimmer: Laut vorläufigem amtlichen Endergebnis rutschte sie bei der Europawahl auf ein historisches Tief von 12,9 Prozent. Grund zur Freude dagegen sah die CSU: Sie kam auf fast 50 Prozent im Freistaat und zieht locker wieder ins Europaparlament ein. Die Grünen holten 11,5 Prozent, die FDP 9,0, die Linke 2,3 und die Freien Wähler 6,7 Prozent.

Es ist blauer Rittersporn, mit dem die CSU ihre Stehtische in der Hanns-Seidel-Stiftung geschmückt hat. Der ist bekanntlich hoch giftig. Sollte das etwa ein Signal an Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel sein? Während sie im Rest der Republik bei der Europawahl im Abwind ist, geht es für die CSU in Bayern aus dem tiefen Tal wieder aufwärts.

"Wir sind wieder da", jubelt Horst Seehofer um 18.29 Uhr seinen Parteifreunden zu. Das ist wohl für Bundeskanzlerin Angela Merkel noch die positivste Nachricht des Abends. Und Monika Hohlmeier, die Strauß-Tochter, die von den Oberbayern aufs Abstellgleis geschickt worden war, ist die Europaabgeordnete der Franken – allerdings mit deutlich schlechterem Ergebnis als im landesweiten Trend. Mit den Franken, auch das wird an diesem Abend klar, hat sich die neue CSU noch nicht wieder versöhnt.

Zu Fuß schwebt Horst Seehofer herüber

Während Hohlmeier mit dem schwarzen Baron Karl-Theodor zu Guttenberg in Bayreuth feiert, begehen die Christsozialen in der Lazarettstraße ihre Auferstehung: Zu Fuß spaziert Horst Seehofer vom Franz-Josef-Strauß-Haus in der Nymphenburger Straße herüber. Besser: Er schwebt. Jeden Schritt scheint er zu genießen. Um 16 Uhr hatte er sich in der Landesleitung mit seinen beiden Generalsekretären Alexander Dobrindt und Dorothee Bär sowie Spitzenkandidat Markus Ferber und dem Fraktionschef der Landtagsfraktion, Georg Schmid, getroffen. Es gibt eine Flasche Sekt. Der Generalsekretär hat Geburtstag. Dobrindt wird 39 Jahre alt. Auf ihn stoßen sie an. Auf das Wahlergebnis noch nicht.

Seehofer will noch abwarten. Er traut den ersten Zahlen nicht, die sie schon vor allen anderen um 16 Uhr erfahren. So gut sind sie. Die CSU liegt bei 48,1 Prozent. Noch weit entfernt von der alten Stärke. Aber sie liegt sechs Punkte über dem Ergebnis der desaströsen Landtagswahl. Und wieder in der Nähe der magischen 50 Prozent-Marke. Am Abend pendelt sie sich dann bei 48,1 Prozent ein.

Seehofer kann es nicht fassen. Das hatte er nicht erwartet. Die CSU ist halt für Überraschungen gut. "Nur nicht zu früh jubeln", gibt er als Devise aus. Doch die Anspannung der letzten Wochen fällt von ihm ab. Von Minute zu Minute wird er entspannter.

Alexander Dobrindt sieht man das Glück an. Ihm war die Briefwahlkampagne eingefallen. Sie hatte Erfolg. "Alle haben uns gesagt, dass es schwierig wird in Bayern, weil Ferien sind. Und jetzt haben wir eine höhere Wahlbeteiligung als der Rest der Republik", schwärmt er.

Jubel, Applaus, Freudentränen

Als um 18 Uhr die offiziellen Wahlprognosen kommen, wird gefeiert wie bei einem Fußballsieg. Jubel, Applaus, glückliche Gesichter, Freudentränen. Wer dem politischen Untergang schon ins Auge geschaut hat, kann am schönsten feiern. Auch Seehofers glückloser Vorgänger Erwin Huber ist gekommen: "Ich fühle einfach nur Freude."

EU-Spitzenkandidat Markus Ferber fällt ein Stein vom Herzen. Er drückt seinen Sohn Stefan (10) an die Brust. "Die wichtigste Botschaft ist doch, dass wir die Talsohle durchschritten haben", sagt der Vater. Offensichtlich haben die Wähler der CSU nach der Watschn vom Herbst wieder verziehen. Vor allem ein Teil derer, die damals den Freien Wählern ihre Stimme gegeben haben.

Offen triumphieren, das will Horst Seehofer an diesem Abend aber nicht. "Das ist wie im Sport", sagt er. "Wenn sie Erfolg haben, ist alles richtig gewesen." Seine Parteifreunde mahnt er: "Wir müssen jetzt auf dem Boden bleiben." Doch seine Brust ist geschwellt. Sein Körper gestreckt, bis in die letzte Spitze seines Haares, das in den letzten Wochen noch weißer geworden ist. "So viel und so hart wie im letzten halben Jahr habe ich in meinem Leben noch nicht gearbeitet", sagt er.

Guttenberg ist der eigentliche Wahlgewinner

Vielleicht will er deshalb in diesem Moment andere nicht preisen. Fragen, welchen Anteil Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg an der Wiederauferstehung der CSU habe, bügelt er unwirsch ab. "Wir sind doch nicht im Kindergarten", giftet er. "Politik funktioniert anders." Vor den Kameras sagt er später am Abend dann doch: "Mit Guttenberg verstehe ich mich blind. Sonst hätte ich ihn ja nicht zum Bundeswirtschaftsminister gemacht."

Manfred Weber, der Bezirkschef der Niederbayern, der nun wieder ins Europaparlament einzieht, sagt es dagegen klipp und klar: "Seehofer ist gestärkt, Guttenberg ist mit der Wahlgewinner." Dem Baron aus Franken und seiner Standfestigkeit als Bundeswirtschaftsminister hat es die CSU zu verdanken, dass sie wieder an Profil gewonnen hat. Erst in den letzten Tagen hatte sich der Wind für die CSU gedreht. Die Gäste bei der Wahlparty sind sich da einig.

Doch nach der Wahl ist vor der Wahl. Und bis zur Bundestagswahl im September und der erhofften schwarz-gelben Mehrheit hat Seehofer noch einen weiten Weg vor sich. "Der heutige Tag ist keine Vorentscheidung", sagt er seinen Anhängern. "Wir müssen weiter hart kämpfen."

Zum Schluss singen sie alle gemeinsam

Wie der Trainer einer Fußballmannschaft erlaubt er nur eine kurze Auszeit. "Wir feiern nur für einen Tag." So sieht es auch Guttenberg: „Wir müssen ohne Hochmut weiter arbeiten“, sagt er am Telefon – und fährt noch in der Nacht nach München, um Krisengespräche in Sachen Arcandor zu führen.

Dann singen sie alle gemeinsam dem Generalsekretär ein Geburtstagsständchen. Auf ihrem Parteitag in Deggendorf haben sie schon gemeinsam ohne Verstärkung das Bayernlied gesungen, wenn auch mit Anlaufschwierigkeiten. "Wir singen zusammen", schwärmt Fraktionschef Schmid. "Das zeigt unser neues Gemeinsamkeitsgefühl." Von dem reden sie an diesem Abend noch oft.

Angela Böhm

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