Horst Seehofer, der bajuwarische Achill
MÜNCHEN - „Seehofer erlebt gerade eine Blütezeit“, sagt einer seiner Minister. Große Teile der CSU-Spitze signalisieren jetzt schon, dass der Ministerpräsident auch 2013 Spitzenkandidat bei der Landtagswahl sein soll. Doch Horst Seehofer hat eine Achillesferse.
Von den drei Parteivorsitzenden der schwarz-gelben Koalition hat nur einer das Bundespräsidenten-Drama ohne Verwundung überstanden: CSU-Chef Horst Seehofer. CDU-Chefin Bundeskanzlerin Angela Merkel und FDP-Kollege Guido Westerwelle sind beschädigt, doch Seehofer erscheint seit einigen Monaten wie ein bajuwarischer Achill: fast unverwundbar.
Dementsprechend sind sich beträchtliche Teile der CSU-Spitze jetzt schon einig: Der erstarkte Chef soll als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2013 antreten. Doch wie der antike Kriegsheld hat auch Seehofer eine Ferse – und die heißt Karl-Theodor zu Guttenberg.
Zwar haben die führenden Köpfe der Partei noch keine Personalabsprache für 2013 getroffen, manche sind allein über die Frage schon entsetzt – weil viel zu früh. Doch in Kabinett und Münchner Landtagsfraktion antworten viele CSU-Politiker auf Nachfrage, dass es nach derzeitigem Stand keinen Zweifel an einer Spitzenkandidatur Seehofers gebe. „Es wird nicht viel drüber geredet, aber die allermeisten gehen davon aus, dass das so ist“, sagt ein Kabinettsmitglied.
In der Partei werden drei Hauptgründe genannt:
a) Seehofer gibt derzeit eine sehr starke Figur
b) Kronprinzen und - prinzessin blockieren sich gegenseitig und
c) der CSU ist die Lust an Personaldebatten gründlich vergangen.
Einigkeit herrscht vor allem, dass der Parteivorsitzende weit besser dasteht als zu Beginn seiner Amtszeit. „Seehofer erlebt gerade eine Blütezeit“, sagt Bayerns Agrarminister Helmut Brunner. Der Ministerpräsident sei momentan wirklich unumstritten, die CSU der stabile Teil der Berliner Koalition, sagt Europagruppenchef Markus Ferber. Die stellvertretende Parteivorsitzende Barbara Stamm verweist auf Seehofers Auftritt auf dem kleinen Parteitag in Nürnberg am vergangenen Wochenende: „Das war eine seiner stärksten Reden“, sagt Stamm.
Sogar große Teile der CSU-Landtagsfraktion haben inzwischen ihren Frieden mit Seehofer gemacht. „Ich gehe fest davon aus, dass er kandidiert und wünsche mir das auch“, sagt Fraktionsvize Karl Freller. Für Seehofer spricht auch, dass im Kreise von Kronprinzen und -prinzessin derzeit niemand eine Mehrheit hinter sich hat. „Keiner ist stark genug, den Kampf gegen Seehofer oder die anderen aufzunehmen“, sagt ein CSU-Mann. Neben Guttenberg im Gespräch sind unter anderem Innenminister Joachim Herrmann, Finanzminister Georg Fahrenschon, Umweltminister Markus Söder und Sozialministerin Christine Haderthauer.
Eine einseitige Liebe
Die große Zustimmung zu Seehofers derzeitigen Aktivitäten bedeutet aber keineswegs, dass die CSU plötzlich in heißer Glut für ihren Chef entflammt wäre. Seehofer liebt seine Partei – aber die nicht ihn. Seehofer genießt Respekt, manche fürchten ihn auch. „Aber die Herzen der Partei gehören eher Karl-Theodor zu Guttenberg“, sagt ein Vorständler. „Wenn Guttenberg antreten würde, hätte Seehofer Schwierigkeiten.“
Der Verteidigungsminister wird ohne eigenes Zutun von manchen in der CSU geradezu in eine Erlöser-Rolle hineingedrängt – er wird nicht als Politiker wahrgenommen, sondern als unverbogene Lichtgestalt. Seehofer hält sich selbst für ebenso geradlinig wie konsequent und ärgert sich, wenn ihm Sprunghaftigkeit unterstellt wird. Doch Seehofers Schicksal will es, dass auch die Parteifreunde ihn als Machtpolitiker und Taktiker in Reinform erleben – und darum ist der große Vorsitzende gegen Guttenbergs jugendliches Messias-Image auch vollkommen hilflos. An diesem Sonntag feiert Seehofer seinen 61. Geburtstag. Nicht alle Glückwünsche werden ehrlich gemeint sein.
Manche CSU-Leute nennen mahnend das Beispiel Edmund Stoiber: Nach dessen triumphalem Wahlsieg im Herbst 2003 wäre jeder ausgelacht worden, der den Sturz 2007 prophezeit hätte. „Für mich ist das eine Diskussion zur Unzeit“, sagt Landtags-Fraktionsvize Alexander König über eine Seehofer-Spitzenkandidatur 2013. „Es kann so kommen, aber ich glaube nicht, dass es jetzt einer Diskussion darüber bedarf.“ Andere betonen, dass es derzeit gar keine Personaldiskussion gebe.
Das ändert aber nichts daran, dass eine klare Mehrheit davon ausgeht, dass Seehofer 2013 antritt: „Partei und Fraktion wünschen sich Kontinuität“, sagt ein Minister zur Personalfrage, die derzeit noch keine sein darf. (dpa)