Horst Seehofer beerdigt das Projekt "50 Prozent plus X"

Öffentlich kündigt der CSU-Chef eine "Epoche der Gemeinsamkeit" in der Union an – doch hinter den Kulissen soll er mit "Mutti Merkel" hart ins Gericht gehen
von  Abendzeitung

Öffentlich kündigt der CSU-Chef eine "Epoche der Gemeinsamkeit" in der Union an – doch hinter den Kulissen soll er mit "Mutti Merkel" hart ins Gericht gehen

BERLIN Horst Seehofer hat wieder einmal zugeschlagen – ansatzlos und eiskalt: Während CDU-General Ronald Pofalla seiner Partei noch tapfer das Wahlziel "40 Prozent plus X" predigt, kündigt der CSU-Chef im neuen "Spiegel" an, künftig nicht mehr mit der Parole "50 Prozent plus X" hausieren zu gehen. "Solche Prozentdiskussionen lassen wir künftig – das mögen die Menschen nicht mehr hören", dekretiert Seehofer. Dass er selbst es war, der vor der Bayern-Wahl die Messlatte für das Tandem Beckstein-Huber lustvoll auf 60 Prozent gelegt hatte, sei "ein Fehler" gewesen. Sorry.

Im Übrigen sei die Bezeichnung "Populist" für ihn kein Schimpfwort, sondern ein Kompliment, betont Seehofer – und macht der CDU schöne Augen: Nach "kleinen Irritationen" hätten CDU und CSU jetzt einen engen Schulterschluss: "Es beginnt jetzt eine Epoche der Gemeinsamkeit." Hinter den Kulissen redet der Ministerpräsident angeblich anders: Laut "Focus" ließ er vergangene Woche vor Vertrauten in der Staatskanzlei seinem Groll über die Schwesterpartei freien Lauf: Die CDU solle sich erstmal bemühen, in die Nähe der CSU-Ergebnisse zu kommen. "Die CDU krebst in einigen Ländern bei 20 Prozent rum und mokiert sich dreist über unsere 44 Prozent bei der Landtagswahl. Das dürfen wir uns von solchen Verlieren nicht länger gefallen lassen", zitiert der "Focus" Seehofer.

Beck: Seehofer ist selbstherrlich

Auch solle Bundeskanzlerin Angela Merkel sich davor hüten, die CSU dauernd zu bremsen und Reformvorhaben zu blockieren. "Wenn wir in Bayern bei der Bundestagswahl nicht deutlich über 45 Prozent kommen, dann ist Mutti die längste Zeit Regierungschefin gewesen", soll Seehofer weiter gegen Merkel gestänkert haben. Selbstredend dementierte Seehofer sämtliche Zitate umgehend scharf: "Das ist ein Märchen und hat mit der Realität nichts zu tun."

Ex-SPD-Chef Kurt Beck warf Seehofer derweil vor, durch Selbstherrlichkeit die Handlungsfähigkeit der Koalition zu gefährden: "Die CSU ist ein großer Störfaktor in dieser Republik“, motzte Beck. "Vieles tut Seehofer nur zu Glanz und Gloria der eigenen Person, teilweise nutzt er auch die Gelegenheit zum Heimzahlen."

Die FDP soll entzaubert werden

Bei einem Strategiegipfel im Kanzleramt sollen sich CDU und CSU jetzt immerhin darauf verständigt haben, bis Ende Juni ein gemeinsames Bundestagswahlprogramm zu schreiben. Darin soll unter anderem für 2010 eine große Steuerreform versprochen werden. "Ich lasse jetzt diverse Modelle durchrechnen und bin gespannt, ob etwa die Vorschläge der FDP einer solchen Prüfung standhalten", sagte Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.

CSU-General Alexander Dobrindt kündigte an, die CSU zur "modernsten Volkspartei in Deutschland" machen und die FDP entzaubern zu wollen: "Die CSU lebt beides – das Soziale und die Marktwirtschaft. Die FDP kennt nur den Markt." Dem Vernehmen nach herrscht in der Union Angst, dass ihr die Liberalen wie bereits 2005 bürgerliche Wähler abspenstig machen könnten. "Wir haben 5:0 geführt“, sagt ein Unions-Grande: "Jetzt steht es nur noch 5:4."

jox

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