Hohe Hürden für Online-Spione

Karlsruhe hat seine Entscheidung zum Ausspähen von Computern getroffen: Die Online-Durchsuchung kommt – aber nur mit strengen Auflagen. Die AZ klärt alle Fragen.
von  Abendzeitung

Karlsruhe hat seine Entscheidung zum Ausspähen von Computern getroffen: Die Online-Durchsuchung kommt – aber nur mit strengen Auflagen. Die AZ klärt alle Fragen.

KARLSRUHE Gestern, 10.07 Uhr, Bundesverfassungsgericht Karlsruhe: Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier rattert mit monotoner Stimme Paragrafen herunter. Doch deren Inhalt hat es in sich: Die Online-Durchsuchung kommt – aber nur mit strengen Auflagen. Die AZ klärt alle Fragen.

Warum wurde das Bundesverfassungsgericht angerufen?

Nordrhein-Westfalen hatte als erstes Bundesland die Onlinedurchsuchung erlaubt. Eine Journalistin, ein Linkspartei-Mitglied und drei Rechtsanwälte, darunter Ex-Innenminister Gerhart Baum (FDP), hatten dagegen geklagt.

Was steht im Karlsruher Urteil?

Heimliche Online-Durchsuchungen sind nur in wenigen, besonders wichtigen Fällen erlaubt. Nämlich dann, wenn es Anhaltspunkte einer „konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut“ gibt. Das NRW-Gesetz erklärten die Richter für nichtig. Grund: Es enthalte keine Vorkehrungen, um Eingriffe in den Privatbereich zu vermeiden. Damit die Bürger gegen Staats-Schnüffeleien geschützt sind, schufen die Richter ein „Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“.

Was versteht das Verfassungsgericht darunter?

Das neue Grundrecht bedeutet, dass private Computer und die darauf gespeicherten Daten – Texte, Bilder, Film- und Tondateien – geschützt sind. Die Richter stopften damit eine Rechtslücke: Denn PCs sind weder im Fernmeldegeheimnis noch durch die Unverletzlichkeit der Wohnung geschützt. Die Idee: So werden die Schnüffel-Hürden für die Verfassungsschützer angehoben. „Der PC muss geschützt werden – egal, ob er in der Wohnung steht oder sonst wo“, sagt der Frankfurter Verfassungsrechtler Erhard Denninger zur AZ.

Kann Innenminister Schäuble seine Online-Pläne jetzt vergessen?

„In der Tendenz wurde das getroffen, was Herr Schäuble wollte“, sagt Denninger. Schäuble gab sich gleichwohl gelassen: Er sehe wenig Änderungsbedarf. Dabei widersprechen seine Pläne dem Urteil: Er wollte Verfassungsschützer präventiv schnüffeln lassen. Das wird nun, da die Richter einen konkreten Anlass einfordern, schwierig. „Ein Präventiv-Verdacht reicht überhaupt nicht mehr aus“, sagt Verfassungsrechtler Denninger. Auch wollte Schäuble die Online-Durchsuchung für Strafverfahren wie Steuerhinterziehung, Kinderpornografie oder Geldwäsche nutzen. Das haben ihm die Richter ebenfalls verboten.

Wie reagierte die SPD?

Generalsekretär Hubertus Heil hält das Urteil für einen „Schlag ins Gesicht“ von Schäuble: „Seine ausufernden Pläne für eine Online-Durchsuchung sind damit zunichtegemacht worden“, giftete Heil.

Was ist mit Bayerns Online-Gesetz?

Mitte Februar hatte das Kabinett das Landes-Trojaner-Gesetz auf den Weg gebracht. Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) sagte am Mittwoch, das Gesetz werde den Karlsruher Anforderungen „völlig gerecht“ und müsse nicht geändert werden.

vth

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