Hofreiter über Hass gegen Grüne: "Da begegnet mir eine gewisse Gewaltbereitschaft"

Der Bundestagsabgeordnete Anton Hofreiter (Die Grünen) beklagt, dass der Hass gegen seine Partei zunimmt. Beschimpfungen gingen immer öfter ins Bedrohliche über. Warum er dabei vor allem den bayerischen Ministerpräsidenten in die Pflicht nimmt.
von  Bernhard Hiergeist
Auch wenn manche Äußerungen von Ministerpräsident Markus Söder gegenüber den Grünen das vermuten ließen, aber der Graben verliefe nicht "zwischen den demokratischen Parteien", sagt Anton Hofreiter, Bundestagsabgeordneter der Grünen.
Auch wenn manche Äußerungen von Ministerpräsident Markus Söder gegenüber den Grünen das vermuten ließen, aber der Graben verliefe nicht "zwischen den demokratischen Parteien", sagt Anton Hofreiter, Bundestagsabgeordneter der Grünen. © Michael Kappeler/dpa

Mit Pflastersteinen und Sandsäcken hatten Demonstranten Straßen blockiert, schlugen bei einem Fahrzeug eine Scheibe ein, eine aufgebrachte Menschenmenge skandierte "Haut ab!", Polizisten gingen mit Pfefferspray und Schlagstöcken vor, mehrere von ihnen wurden nach Ermittlerangaben verletzt, eine Person festgenommen.

Was sich liest wie ein Bericht von einem Straßenkampf, war Mitte Februar bloße Begleiterscheinung des politischen Aschermittwochs der Grünen. Während die anderen Parteien den Tag traditionell auf bierseligen Veranstaltungen zum Poltern nutzten, wurde die Veranstaltung der Grünen im baden-württembergischen Biberach von der Polizei wegen großer Sicherheitsbedenken abgesagt. 

Beim politischen Aschermittwoch der Grünen in Biberach ging die Polizei gegen Demonstraten vor. Die Veranstaltung musste abgebrochen werden.
Beim politischen Aschermittwoch der Grünen in Biberach ging die Polizei gegen Demonstraten vor. Die Veranstaltung musste abgebrochen werden. © Silas Stein/dpa

Die Vorgänge in Biberach sind Symptom einer größeren Entwicklung: Für bestimmte gesellschaftliche Gruppierungen sind die Grünen zu einem Feindbild geworden, das für alles verantwortlich gemacht wird, was irgendwie als falsch interpretiert wird. Und dieser Hass verdichtet sich immer mehr zu einer greifbaren Bedrohung, wie Anton Hofreiter, bayerischer Bundestagsabgeordneter der Grünen und ehemaliger Vorsitzender der Bundestagsfraktion, nun in einem Interview schilderte.

Anton Hofreiter sieht die Gewaltbereitschaft gegen die Grünen steigen

"Was sich verändert hat über die letzten Jahre, ist, dass Menschen nicht mehr sagen ‚Sie machen falsche Politik‘. Es geht in wüste Beschimpfungen über", sagte Hofreiter dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Und die Beschimpfungen dann wiederum manchmal ins "Körperlich-Bedrohliche". "Da begegnet mir eine gewisse Gewaltbereitschaft", sagte der ehemalige Vorsitzender der Bundestagsfraktion. 

Insbesondere seit dem Wahlkampf zur bayerischen Landtagswahl 2023 sei die Lage in ganz Bayern bedrohlicher geworden. Gerade der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte sich wiederholt polemisch bis verzerrend über die Grünen geäußert. "Die Grünen haben einfach kein Bayern-Gen", sagt Söder damals etwa in einem Interview mit der AZ. Sie hätten das Modell "Freistaat Bayern" bis heute nicht verstanden. "Sie glauben, alle erziehen und bevormunden zu müssen. Das nervt viele Menschen." Weiter verglich Söder die grüne Bundesumweltministerin Steffi Lemke jüngst mit Margot Honecker, ehemalige DDR-Bildungsministerin und Ehefrau des DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker.

Friedrich Merz identifiziert die Grünen als politischen "Hauptgegner"

Auch der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hatte sich in der Vergangenheit wiederholt negativ über die Grünen geäußert und sie als "Hauptgegner" im Kampf um Wahlstimmen bezeichnet. "Man kann Menschen nicht umerziehen", sagte Merz im vergangenen Jahr im Gespräch mit der AZ. "Vor allem der grüne Teil dieser Regierung aber glaubt, dass man die Bevölkerung zu ihrem Glück zwingen muss." Teile der Union fassten die wiederholten Äußerungen gegen die Grünen – bei gleichzeitigem Schweigen anderen Parteien gegenüber – als Verharmlosung der AfD auf.

Grüne von Ministerpräsident Söder als Feinde markiert

Dieses Ungleichgewicht adressierte auch Hofreiter in dem Gespräch mit dem RND. "Personen oder Gruppen fühlen sich zu aggressivem Verhalten ermuntert, wenn Grüne von Ministerpräsident Söder als Feinde markiert werden." Solche Äußerungen – etwa durch die Äußerung in Bezug auf Steffi Lemke – dürften zwischen demokratischen Mitbewerbern nicht passieren. "Es muss klar sein, dass der Graben nicht zwischen den demokratischen Parteien verläuft, sondern zwischen Demokraten und Antidemokraten", sagte Hofreiter. Söder verwische das.

Danach gefragt, ob nicht die schlechte Politik der Ampelkoalition auch für die Stimmung gegen die Grünen verantwortlich sei, verwies Hofreiter einerseits auf politische Erfolge, etwa bei der Energieversorgung nach Beginn des Kriegs in der Ukraine. Andererseits entgegnete er, es könne nicht sein, "dass ein Dissens über Politik plötzlich als Rechtfertigung für Gewalt gilt". 

Alle öffentlichen Veranstaltungen der Grünen würden inzwischen mit der örtlichen Polizei abgesprochen, wobei die Partei auch positive Erfahrungen mache. Hofreiter sagte weiter, er würde sich aber wünschen, dass Hasskriminalität in sozialen Netzwerken deutlich stärker verfolgt werde. Solange das Hassniveau so hoch sei, bestehe immer die Gefahr, dass neben den Beleidigungen und Bedrohungsszenarien auch konkret Schlimmeres passiert. "Denn aus Worten werden irgendwann Taten."

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