Höher? Niedriger? Das Steuer-Chaos der Union

Kanzlerin Angela Merkel gelingt es nicht mehr, die interne Steuerdebatte abzuwürgen. Mehrere Länderchefs verlangen höhere Steuern. Dafür weist sie Seehofer mit seinen markigen Sekungs-Forderungen in die Schranken. Doch der CSU-Chef hat schon wieder neue Ideen
von  Abendzeitung

BERLIN - Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel gelingt es nicht mehr, die interne Steuerdebatte abzuwürgen. Mehrere Länderchefs verlangen höhere Steuern. Dafür weist sie Seehofer mit seinen markigen Sekungs-Forderungen in die Schranken. Doch der CSU-Chef hat schon wieder neue Ideen

Die Debatte ist tot, es lebe die Debatte: Trotz eines Machtwort-Versuchs von CDU-Chefin Bundeskanzlerin Angela Merkel geht die Steuererhöhungsdebatte in der Union munter weiter. Auch die als harmonisches Signal geplante Verabschiedung des Wahlprogramms von CDU und CSU am Sonntagnachmittag wurde vom Steuerstreit spürbar überschattet.

„Mit mir wird es in der nächsten Legislaturperiode keine Erhöhung geben, weder des vollen noch des reduzierten Mehrwertsteuersatzes“ – diese Parole hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel noch vor dem Spitzentreffen der Unionsgrößen ausgegeben. Sowohl Merkel als auch CSU-Chef Horst Seehofer wollen im Gegenteil mit dem Versprechen in den Wahlkampf ziehen, die Bürger steuerlich zu entlasten. Im Wahlprogramm sind dafür 15 Milliarden Euro eingeplant.

Doch das kümmert in der Führung einige nicht: Sachsen-Anhalts Regierungschef Wolfgang Böhmer brachte entgegen der Parteilinie einen höheren Spitzensteuersatz ins Gespräch: Er habe gegen höhere Steuern für Top-Manager oder für Fußball-Profis „nichts einzuwenden“, sagte Böhmer. Schon zuvor hatte Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger verlangt, den reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7 auf 9,5 Prozent anzuheben.

Merkel zeigte sich zu Beginn des Unionstreffens verärgert und sprach von „Einzelmeinungen“ in der Partei. Allerdings hatte sich die CDU-Spitze zuvor schon selbst von den härtesten Steuersenkungsparolen verabschiedet. In dem einstimmig verabschiedeten Wahlprogramm findet sich entgegen der Forderung der CSU kein fester Termin für eine Steuersenkung. Das komplette CDU-Präsidium habe sich gegen die entsprechenden Vorstöße Seehofers gewehrt, hieß es.

Seehofer denkt an 2011

Der bayerische Ministerpräsident machte allerdings trotz dieser Niederlage demonstrativ gleich das nächste Fass auf: Er sprach sich für das Jahr 2011 als Termin für Steuersenkungen aus. Zugleich gab er sich ebenfalls wild entschlossen, keiner höheren Mehrwertsteuer zuzustimmen. Ansonsten werde er keinen Koalitionsvertrag unterschreiben drohte der CSU-Chef.

Druck bekommt die Union auch bereits vom Wunschpartner: FDP-Chef Guido Westerwelle sagte, in der Union gebe es zu viele „Steuerwackler“. Er werde die Steuerpolitik zum Prüfstein für eine Koalition machen. Noch drastischer äußerte sich der hessische FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn: Oettinger und Böhmer müssten aufhören, „mit dummem Geschwätz die Bürger zu verunsichern“. Wer jetzt Steuererhöhungen fordere, der müsse „von allen guten Geistern verlassen sein“, sagte Hahn.

Der Noch-Koalitionspartner SPD sprach vom Versprechen auf Steuersenkungen als einem „bewusst vorbereiteten Wahlbetrug“ der Union: „Das ist ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik“. Selbst Ex-CSU-Chef Theo Waigel glaubt nicht an Spielräume für niedrigere Steuern: Diese seien nur durch noch höhere Schulden finanzierbar, sagte Waigel.

Die Details des Unions-Programms

Steuern: Der Eingangssteuersatz soll in zwei Stufen von 14 auf 13 und dann auf 12 Prozent gesenkt werden. Die Grenze für den Spitzensteuersatz soll von 52000 auf 55000 und später 60000 Euro steigen. Auch im mittleren Steuerbereich soll es Veränderungen geben, um die sogenannte kalte Progression zu bekämpfen.

Sozialpolitik: Für „Hartz IV“-Empfänger soll der Freibetrag beim Schonvermögen erhöht werden, bei der Rente soll Kindererziehung künftig noch besser zu berücksichtigt werden.

Gesundheit: Geplant ist eine Weiterentwicklung von Bonus- und Wahltarifen. Eine einheitliche Bürgerversicherung wird abgelehnt.

Familien: Bei drei oder mehr Kindern soll das Kindergeld steigen. Außerdem ist für Eltern, die keinen Krippenplatz in Anspruch nehmen, ein Betreuungsgeld vorgesehen. „Den Kindergartenbesuch wollen wir langfristig beitragsfrei ermöglichen und für das Jahr vor der Einschulung verpflichtend machen.“

Bildung: Die Union fordert bundesweite „Leistungsmaßstäbe“ für Bildungseinrichtungen und Bildungsabschlüsse. Kinder ab vier Jahren sollen zudem verbindliche Sprachtests ablegen.

Inneres: Die Union setzt auf eine härtere Linie: So dürfe für Täter zwischen 18 und 21 Jahren nur noch ausnahmsweise das Jugendstrafrecht gelten. Ausländer sollen bereits bei einer Gefängnisstrafe von einem Jahr ausgewiesen werden können.

Umwelt: CDU und CSU wollen der Umweltpolitik höheren Stellenwert beimessen. Die Atomkraft soll weitergenutzt werden, bis andere Alternativen verfügbar sind. Beim Gen-Thema verständigten sich CDU und CSU auf einen Formelkompromiss: „Die Politik muss die Sorgen der Bürger bei der grünen Gentechnik ernst nehmen.“

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