Historisch schlechte CSU: "Eine herbe Enttäuschung"

München - Es gibt nichts schön zu reden. Das Ergebnis ist eine herbe Enttäuschung", Horst Seehofer macht einen deutlich geknickten Eindruck, als er am frühen Sonntagabend in der Münchner CSU-Zentrale ans Mikrofon tritt.
Die Christsozialen unter Parteichef Seehofer haben bei der Bundestagswahl ein Debakel erlebt: Sie stürzten im Freistaat laut Hochrechnungen auf für ihre Verhältnisse katastrophale 39 Prozent ab - nach 49,3 Prozent vor vier Jahren. Das wäre das schlechteste Bundestagswahlergebnis der CSU seit 1949. Im Bund schafft es die CSU gerade mal auf 6,1 Prozent. Nun dürften die Personaldebatten in der Partei neu aufbrechen ( siehe auch Seite 4 ).
Für die CSU und Seehofer persönlich ist diese Prognose auch deshalb ein verheerendes Signal, weil in einem Jahr ein neuer Landtag in Bayern gewählt wird. Dort droht der CSU, wie schon 2008, der Verlust der absoluten Mehrheit.
In Umfragen war die CSU zuletzt noch bei rund 47 Prozent gelandet.
"Wir werden die Dinge genau betrachten, sagt Seehofer noch am Abend. "Wir haben eine offene Flanke auf der rechten Seite. In den kommenden Wochen kommt es darauf an, dass wir diese Flanke schließen - mit klarer Kante." Grundlage dafür sei der Bayernplan der CSU. "Wir werden alles tun und keinen falschen Kompromiss eingehen, damit wir diesen Bayernplan bei den Gesprächen in Berlin durchsetzen. Die CSU wird geschlossen, einheitlich und mit klaren Positionen die kommen Wochen bestreiten." Und das mit einer Politik, so Seehofer weiter, "die gewährleistet, dass Deutschland Deutschland bleibt".
Vor allem die Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge wolle er bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin nun hart vertreten. "Wir können nicht zurückkommen, wenn unser Bayernplan nicht verwirklicht worden ist", sagte Seehofer in BR-Fernsehen.
Die SPD kam in Bayern laut Hochrechnung auf 15,5 Prozent (2013: 20,0). Auf dem dritten Platz landete demnach die AfD mit 12,7 Prozent (2013: 4,3). Die Grünen erreichten 9,7 Prozent (2013: 8,4), die FDP 9,7 Prozent (2013: 5,1) und die Linke 6,1 Prozent (2013: 3,8).
Vor allem das zweistellige Abschneiden der AfD sorgt für Unruhe bei der CSU. "Die Wähler in Bayern haben ein deutliches Ausrufezeichen gesetzt", sagt CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. "Der beste Schutzwall gegen die Rechten ist, jetzt von ihnen Inhalte einzufordern."
Horst Seehofer ist seit Oktober 2008 CSU-Vorsitzender und bayerischer Ministerpräsident. Er hatte im April angekündigt, in diesem Herbst wieder als Parteichef und im Herbst 2018 wieder als Ministerpräsident zu kandidieren.
Seehofer und die CSU hatten im Bundestagswahlkampf einen Spagat versucht: Nach langem Krach mit Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Flüchtlingspolitik hatte Seehofer Anfang des Jahres wieder den Schulterschluss mit Merkel gesucht. Diese "Schaukelpolitk" habe offenbar die Wähler irritiert, vermutet der frühere CSU-Chef Erwin Huber.
Seehofer will seine Partei trotzdem weiter führen. "Ich bin dazu bereit", sagt Seehofer. Angesichts der zu erwartenden innerparteilichen Angriffe fordert der Parteichef die CSU-Kollegen auf, "menschlich anständig" miteinander umzugehen. "Wer will, kann gerne über mich diskutieren oder zu weiteren Taten schreiten."
Die Vorsitzende der Bayern-SPD, Natascha Kohnen, spricht am Sonntagabend von einer "schweren Niederlage" ihrer Partei. "Die dritte in Folge", sagt sie. "Für die SPD heißt das: Wir nehmen die Rolle der Oppositionsführung an - ohne Hintertür."
Der bayerische AfD-Vorsitzende Petr Bystron kündigt eine "knallharte Oppositionspolitik" im Bundestag an. Die AfD sei bei erfreulich hoher Wahlbeteiligung drittstärkste Partei und werde der Regierung "keine Rechtsbrüche mehr erlauben und einen Merkel-Untersuchungsausschuss ins Spiel bringen". Besonders erfreulich sei das Ergebnis in Bayern mit starken Verlusten für CSU und SPD: "Die Altparteien haben die Quittung bekommen für ihre Politik".
In Bayern waren rund 9,5 Millionen Menschen zur Bundestagswahl aufgerufen. Bereits am Nachmittag zeichnete sich eine deutlich höhere Wahlbeteiligung ab als vor vier Jahren. Die CSU konnte davon nicht profitieren.
Lesen Sie dazu auch den AZ-Kommentar: "Wahlverlierer CSU: Seehofers Zwickmühle"