Hingetrickster Haushalt
MÜNCHEN - „Schulden“ macht sie offiziell nicht – dafür verpfändet die bayerische Regierung aber nun ihr allerletztes Tafelsilber: die Eon-Aktien. Bei der Klausur wurde nun der Etat 2010 festgezurrt
So trickst Horst Seehofer beim bayerischen Haushalt: Scheinheilig verkündet er nach der Klausurtagung des bayerischen Kabinetts in St.Quirin am Tegernsee, Bayern werde keine neuen Schulden machen und auch die Eon-Aktien, den Rest des bayerischen Tafelsilbers, nicht verscherbeln. Und auch sein Koalitionspartner, Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP), jubelt: „Wir machen keine Schulden.“ Das stimmt. Aber es ist nur die halbe Wahrheit. Nach Informationen der AZ will die Staatsregierung die Anteilsscheine des Energiekonzerns verpfänden, um die Löcher im Haushalt 2010 zu stopfen.
Seehofer und Fahrenschon ziehen damit alle Register und greifen sogar zu grenzwertigen Tricks. Haushaltsrechtlich gilt die Beleihung der Papiere nämlich nicht als Schuldenmachen. Auch wenn der Freistaat dafür an die Bank Zinsen zahlen muss, ist es keine Staatsverschuldung. Jeder kleine Bauherr, der sein Häusl beleihen muss, mag sich da nur die Augen reiben.
Die letzten Cents zusammenkratzen
Nach Schätzung der SPD haben die Eon-Aktien derzeit einen Wert von 680 Millionen Euro. Verkaufen will sie der Finanzminister nicht, denn ihr Kurswert befindet sich gerade im Tief. Ein Drittel der Eon-Aktien hat der Freistaat eh schon verkauft. Damals erhielt er satte 130 Euro pro Anteilsschein. Derzeit liegt der Stückwert nur noch bei rund 27 Euro. Der Erlös aus der Verpfändung darf nur für Investitionen verwendet werden.
Um das Milliarden-Loch im Haushalt zu stopfen, musste Seehofer eh schon die letzten Cents zusammenkratzen. Rund 10000 Beförderungen von Staatsdienern werden um drei Monate verschoben - vom 1. September 2010 auf 1.Januar 2011. Die Verwaltungsausgaben in den Ministerien müssen um zehn Prozent reduziert werden. Über 500 Millionen Euro, die die Ministerien fordern, wird noch gestritten. Wünsche werden nicht mehr erfüllt.
Manche haben die Einschnitte erst gar nicht bemerkt
An Grausamkeiten bei den Bürgern traut sich Seehofer nicht ran. Im Sozialbereich, bei der Kinderbetreuung und der Bildung wird nicht gespart. „Nirgendwo gibt es Einschnitte“, versichert Seehofer.
Dafür versuchte der Finanzminister in St.Quirin, mit Tricks den Ministern und der Fraktion Millionen abzuzwacken, ohne dass sie es merken sollten. So hatte er sang- und klanglos ein Lieblingsprojekt von Sozialministerin Christine Haderthauer gestrichen. Ihre zehn Millionen Euro für ein Projekt für arbeitslose Eltern und Alleinerziehende im Raum Nürnberg-Fürth waren aus der Vorlage verschwunden. Haderthauer lief Amok – und bekommt das Geld.
"Der nächste Haushalt wird uns voll um die Ohren fliegen"
Erst gar nicht gemerkt hatte es Fraktionschef Georg Schmid, dass Fahrenschon auch die 30 Millionen Euro für die Fraktion in seinem Bermudadreieck verschwinden hatte lassen. Mitglieder des Kabinetts mussten ihn darauf aufmerksam machen. Über diese Summe sollten die Abgeordneten selbst entscheiden, welche Schwerpunkte sie damit setzen wollen. Nach heftigen Auseinandersetzungen bekommt die Fraktion das Geld jetzt doch.
Die Krisenregion Nürnberg-Fürth wird mit 115 Millionen Euro unterstützt, verteilt auf fünf Jahre. Dazu gehört auch die Verlagerung des Landesamts für Statistik von München nach Fürth.
Für den nächsten Staatshaushalt aber sehen viele im Kabinett schon schwarz. „Diesen haben wir jetzt gerade noch unter Dach und Fach gebracht“, sagt ein Regierungsmitglied zur AZ. „Der nächste aber wird uns voll um die Ohren fliegen.“ Angela Böhm