Hillary oder Obama? - Es wird ein Krimi

Amerika am Tag nach dem "Super Tuesday": Bei den Republikanern ist John McCain die Nominierung kaum noch zu nehmen. Und die Demokraten fragen sich. Gibt es zwei Gewinner oder zwei Verlierer? Der Kampf zwischen Hillary Clinton und Barack Obama geht weiter.
WASHINGTON. Selbst Hillary Clinton, ansonsten mit Eigenlob auf ihre Leistung rasch bei der Hand, war in der Nacht nicht nach großen Worten zumute. Zwar jubelten ihre Anhänger in New York, als sei sie schon Präsidentin, doch das Wort „Sieg“ kam in ihrer Rede nicht vor.
Da gab sich Barack Obama in Chicago immerhin etwas forscher. „Unsere Zeit ist gekommen“, rief er der Menge zu, mehr wollte auch er allerdings nicht sagen. Nach Monate langem Wahlkampf, verbittertem Streit und knallharten Debatten – nun totes Rennen bei den Demokraten am „Super-Tuesday“?
McCain: Vom Underdog zum Favoriten
Ganz anders bei den Republikanern: Auch hier zwar verhaltene Stimmung und Understatement, doch der Präsidentschaftskandidat scheint praktisch schon festzustehen: John McCain, 71 Jahre alt, in Sachen Irakkrieg ein Falke, für den alles andere als ein Sieg bereits „aufgeben“ wäre.
Noch vor ein paar Monaten sei er der „Underdog“ unter den Konkurrenten gewesen, jetzt sei er der Favorit, „und das macht mir nicht das Mindeste aus«, höhnte McCain über seine abgeschlagenen Rivalen Mitt Romney und Mike Huckabee. Wahlstrategen sagen bereits voraus, der Mann hätte das Zeug, sowohl Obama als auch Clinton im November zu schlagen. „Er wäre der älteste Präsident Amerikas, älter als Ronald Reagan, als er 1980 an die Macht kam“, rechnet ein TV- Kommentator vor.
Zwei Gewinner - oder zwei Verlierer?
Und bei den Demokraten? Gibt es hier zwei Gewinner oder zwei Verlierer? In 13 Staaten hat Obama am Dienstag nach Hochrechnungen gewonnen, in acht Clinton. Doch bei den Delegiertenstimmen sieht es anders aus, über 700 für Clinton, immerhin 100 mehr als für Obama. Das Dilemma: Reine Arithmetik sagt nur wenig über den Trend aus. Das Atemberaubende des bisherigen Wahlkampfes war gerade die „Aufholjagd“ Obamas: Noch vor ein paar Monaten lag Clinton laut Umfragen derart weit vorn, dass sich eine Zeitung fragte: „Ist ihr Sieg noch zu verhindern“? Jetzt muss sie mit Obama um jede Stimme kämpfen – das hatte sie sich anders vorgestellt.
Ein Arbeitssieg - ohne Bravour und ohne Glanz
„Auf dem Papier war es nicht ein so gewaltiger Sieg, wie es das Tanzen und das Konfetti glauben lassen“, warnte die Zeitung „Washington Post“. Bestenfalls ein Etappensieg, ein Arbeitssieg für die Ex-First-Lady – ohne Bravour und ohne Glanz.
Das „Momentum“ auf Obamas Seite
Vor allem: Das „Momentum“, wie es die Amerikaner nennen, die Dynamik und der Schwung, sind derzeit eindeutig auf der Seite Obamas. So viel steht nach diesem „Super-Tuesday“ fest: Abgeschrieben ist der 46 Jahre alte „Ausnahmepolitiker“, Sohn eines afrikanischen Austauschstudenten und einer weißen Amerikanerin, noch lange nicht. Mehr als das: Der Mann ist zu wahren Wahlkampf-Wundern fähig – nicht zufällig vergleichen Kommentatoren ihn bereits mit John F. Kennedy. Der hat damals auch nicht nur die Herzen der Amerikaner höherschlagen lassen, der junge Kennedy schaffte es auch, die Wahlen zu gewinnen.
Die Zeit spielt für Obama
„Die Zeit spielt für Obama“, meinte ein Kommentator schon vor der Abstimmung am „Super-Tuesday“. Wandel, Vision und Überwindung des ewigen Parteiengezänks ist das Credo Obamas – Erfahrung, Realismus und Augenmaß sind die Schlagworte der 60-jährigen Clinton. Bei den politischen Sachthemen gibt es kaum echte Differenzen – doch in Wahrheit liegt eine Welt zwischen den Beiden. Dabei geht es nicht nur um Hautfarbe und Geschlecht – auch das Alter spielt eine Rolle, mit Obama käme eine ganz neue Generation zum Zuge.
Nächste Etappe: Virginia und Maryland
Nur eines ist an diesem „Tag danach“ schon klar, der Kampf geht weiter, die nächsten Etappen stehen fest: In einer Woche wird in Virginia und Maryland abgestimmt. Schon sind die nächsten TV-Debatten fest gebucht, womöglich wird es noch härter als bisher zugehen. Doch ob es in einer Woche einen Sieger geben wird, ist dennoch fraglich.
Selten gab es ein solches Hauen und Stechen bei den Demokraten, selten ein derart offenes, zähes Rennen – ein Alptraum für die Parteistrategen. Schon malen Auguren an die Wand, dass es beim Nominierungsparteitag im Spätsommer zur offenen Feldschlacht kommen könnte. Bis dahin laufen die Demokraten zunehmend Gefahr, sich gegenseitig zu zerfleischen – die Republikaner können dagegen die interne Schlacht schon beinahe hinter sich lassen und sich ganz auf den Gegner konzentrieren. (dpa)