Interview

Haushalts-Debakel im Bund: Wo die FDP jetzt sparen will

Die AZ hat mit dem Ex-Chef der Bayern-FDP über die Haushaltskrise in der Ampel gesprochen. Wo aus seiner Sicht gespart werden soll und warum er zufrieden mit der Ampel ist – trotz allem.
von  Heidi Geyer
Daniel Föst aus München ist Mitglied im Ausschuss für Bauen.
Daniel Föst aus München ist Mitglied im Ausschuss für Bauen. © Foto: dpa

München/Berlin - Daniel Föst sitzt für die FDP im Bundestag. Die AZ sprach mit dem Abgeordneten aus München über die Bilanz der Ampel, den drohenden Mitgliederentscheid in der FDP und wo gespart werden soll angesichts der fehlenden 60 Milliarden Euro.

 AZ: Herr Lindner hat 2017 gesagt: "Es ist besser nicht zu regieren, als falsch regieren." Nach zwei Jahren Ampel steht die FDP bei vier Prozent. Wo steht die FDP auf der Skala zwischen richtig und falsch regieren?
DANIEL FÖST: Ich bin wirklich der Überzeugung, dass die Ampel besser ist als ihr Ruf! Es sind viele Dinge gelungen, zu denen Deutschland in den vergangenen Jahren nicht die Kraft hatte: den Ausbau der Erneuerbaren Energien, die Digitalisierung, Steuerung der Zuwanderung…

Wo steckt denn in der Ampel FDP drin?
Was uns tatsächlich gelingt, ist die Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung. Es wird in Zukunft in Deutschland schneller und einfacher werden, und zwar völlig egal, ob Sie Schienen, ein Windrad oder eine Schule bauen. Das ist auch dringend notwendig! Uns fehlen Wohnungen in einer Größenordnung, dass es wirklich ein soziales Problem ist. Wir ändern die Rahmenbedingungen, dass diese Wohnungen gebaut werden können. Auch dass man die Bürger um 14 Milliarden Euro entlastet, ist ein Thema, das die FDP vorantreibt. Und wir entbürokratisieren. Bundesjustizminister Buschmann hat 117 konkrete Projekte vorgelegt. Dass wir beim Thema nachhaltiger Haushalt, Schuldenbremse, nicht einfach so tun, als könnten wir Schulden aufnehmen ohne Ende, ist ein Thema der FDP. Dass es keine Steuererhöhungen gibt, ist ein Thema der FDP. Ich kann mir als Liberaler immer noch mehr vorstellen - aber so schlecht ist es nicht.

Stichwort Haushalt - jetzt fehlen 60 Milliarden Euro aus dem Klimaschutz- und Transformationsfonds. Was bedeutet das für Ihren Haushalt?
Erst mal muss man sagen: In den letzten zwölf Jahren hat sich der Haushalt fast verdoppelt. Wir geben heute im Vergleich zu 2013 fast doppelt so viel aus. Das ist ein starkes Indiz, dass wir nicht in erster Linie ein Einnahmenproblem haben, sondern ein Ausgabenproblem. Dass das Bundesverfassungsgericht nun so entschieden hat, führt dazu, dass wir priorisieren müssen. Die Schuldenbremse ist ja kein Instrument, um irgendetwas zu verhindern, sondern die Staatsausgaben in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen.

Was steht aus FDP-Sicht auf der Kippe?
Ich halte es für wenig sinnvoll, dass wir eine Chip-Fabrik mit bis zu zehn Milliarden Euro Steuergeldern subventionieren. Da wäre es der FDP wichtiger, die Rahmenbedingungen so zu ändern, dass in Deutschland mehr investiert wird. Ich persönlich fände es wirklich schwierig, das Bürgergeld zum Januar nochmals zu erhöhen. Man findet im Haushalt viele Punkte, über die man sachlich und offen diskutieren kann.

Es hieß, die FDP will am Sozialstaat sparen. Wo soll das abseits des Bürgergelds sein?
Das Bürgergeld wird in der Tat ein großer Schluck aus der Pulle sein. Ich habe das Gefühl, Subventionspolitik ist in den letzten Jahren immer mehr in die Richtung gegangen: "Pass mal auf, der Staat gibt dir was." Beziehungsweise: "Warte darauf, bis der Staat dir was gibt." - das halte ich für eine massive Schieflage. Eigentlich müssen wir den Schwächsten helfen. Wer in eine Notsituation kommt, muss sich darauf verlassen können, dass der Staat ihnen hilft. Aber in meiner Wahrnehmung hat sich der Sozialstaat davon verabschiedet.

Sind die Bürgergeld-Bezieher nicht die Schwächsten?
Unser Ansatz muss sein, die Menschen aus dem Bürgergeld herauszubekommen. Momentan hören wir aus der Berichterstattung aber das Gegenteil: "Nein, ich arbeite lieber nicht, ich nehm Bürgergeld." Das ist doch die Absurdität eines Sozialstaats! Da gibt es weitere Maßnahmen, die man überprüfen muss. Auch die Direktzahlungen an Asylbewerber. Wir brauchen Immigration, aber ich halte es zum Beispiel für richtig, dass wir über Bezahlkarten diskutieren. Es steckt die Frage dahinter: Kommt das Geld wirklich an und hilft es?

In der Zusammenarbeit scheint es in der Ampel nicht ganz so harmonisch zu laufen. Jüngst warfen die SPD und die Grünen dem Finanzminister vor, dass er bei der Mehrwertsteuer für die Gastronomie die Entscheidung nicht mitträgt. Warum gibt die Ampel dieses Bild ab?
Man macht gerne die FDP für alles verantwortlich. Wir haben natürlich eine sehr klare Meinung, die nicht immer populär ist - Beispiel Schuldenbremse. Die Ampel muss aber aufhören, sich in der Öffentlichkeit zu streiten.

Wie erleben Sie die Zusammenarbeit auf Sachebene?
Da funktioniert es eigentlich sehr gut. Man kennt sich und man schätzt sich, meine Kollegen in der Baupolitik kenne ich seit sechs Jahren. Wir müssen die Dinge intern und nicht in der Öffentlichkeit klären. Mich nervt es ja auch. In der Situation, in der unser Land steckt, muss eine Regierung Führungsstärke ausstrahlen. Das ist im Moment nicht der Fall. Da müssen sich alle drei Partner an die Nase fassen, auch die FDP.

Es soll auch einen Mitgliederentscheid in der FDP zum Verbleib in der Ampel geben. Wie bedrohlich ist der?
Wenn man Mitglied der FDP wird, dann hat man den Antrieb, von kommunaler bis Bundesebene mitzusprechen und zu regieren. Außer der Groko gibt es kein Regierungsbündnis, das ohne Grüne und FDP funktioniert. Wir sind aber angetreten, um die Groko abzulösen. Das gilt bis heute.

Für wie wahrscheinlich halten Sie eine Klage der Union gegen den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF)?
Der WSF ist ein Kind der Union. Ich glaube, die Union muss sich noch mal über ihre staatstragende Verantwortung klar werden. In der Opposition zerschlagen sie derzeit Porzellan. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat auch Auswirkungen auf die Haushalte der Länder. Ob die alle einer Klage standhalten würden, ist überhaupt nicht klar. Wenn sie jetzt den WSF auch noch wegkicken, hätte die Union einen riesigen Scherbenhaufen, den sie möglicherweise selbst mitaufkehren muss, wenn sie wieder in Regierungsverantwortung kommen sollte. Das würde ihr auf die Füße fallen.

Nun hat Christian Lindner eine Haushaltssperre durchgesetzt. Das wirkt sehr drastisch - wäre es nicht auch ohne die gegangen?
Ich finde es richtig, nach einem so drastischen Urteil aus Karlsruhe nichts zu überstürzen. Weitere Vorbelastungen für künftige Haushaltsjahre sind unbedingt zu vermeiden, deswegen macht es Sinn, nun alles zu prüfen. Steuererhöhungen und ein Aufweichen der Schuldenbremse können nicht unser Ziel sein. Deutschland hat kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem. Wir müssen jetzt unsere Prioritäten prüfen und so unnötige Ausgaben vermeiden. Bis zum Jahresende werden die notwendigen Entscheidungen dafür getroffen sein.

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