Zeichen gegen Extremisten: Haus in europäischer Metropole wird nach berühmter Münchnerin Sophie Scholl benannt

In Brüssel wird ein Gebäude eingeweiht, das an die Münchner Widerstandskämpferin Sophie Scholl erinnert. Der Zeitpunkt ist kein Zufall.
von  Alexander Spöri
EVP-Fraktionschef Manfed Weber (v.l.) eröffnet mit der Präsidentin des Europaparlaments Roberta Metsola und Schauspielerin Julia Jentsch das nach Sophie Scholl benannte Gebäude in Brüssel. Schon bald sollen dort Abgeordnete ein und aus gehen.
EVP-Fraktionschef Manfed Weber (v.l.) eröffnet mit der Präsidentin des Europaparlaments Roberta Metsola und Schauspielerin Julia Jentsch das nach Sophie Scholl benannte Gebäude in Brüssel. Schon bald sollen dort Abgeordnete ein und aus gehen. © Alexander Spöri

Brüssel - Mitten im Herzen von Europas Demokratie erstrahlt jetzt ein Teil von Bayerns Geschichte. Normalerweise werden die Gebäude des EU-Parlaments in der belgischen Hauptstadt Brüssel nach Politikern benannt - doch das Gebäude in der Rue Wiertz trägt nun den Namen der Münchner Widerstandskämpferin Sophie Scholl, die sich gegen die Nationalsozialisten im Dritten Reich auflehnte.

Für die Widmung des achtstöckigen Gebäudes hat sich seit 2021 der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, eingesetzt. Offiziell eingeweiht wurde es am Mittwoch - zusammen mit Roberta Metsola, der Präsidentin des Europäischen Parlaments, und der Schauspielerin Julia Jentsch. Sie verkörperte die junge Widerstandskämpferin im oscarnominierten Film "Sophie Scholl - Die letzten Tage".

Ehrung von Sophie Scholl als Zeichen gegen Extremisten: "Steigende Zahlen von Leuten, die Europa abschaffen wollen"

Für den CSU-Europaabgeordneten aus Niederbayern war es ein großes Anliegen, dass Scholls Namen auch in Brüssel ins Bewusstsein der Menschen gerückt wird, weil die junge Studentin ihm zufolge eine Vordenkerin des föderalen Europas war: "Sie erhob ihre Stimme für Europa - während andere schwiegen", sagt Weber vor dem neu eingeweihten Gebäude. Nicht "nur" Politiker, sondern auch Menschen, die gegen verbrecherische Regime aufstehen, sollten geehrt werden.

Das sieht Schauspielerin Jentsch ähnlich: "Diese Frau war nicht als Widerstandskämpferin geboren", sagt sie im Nachgang der Veranstaltung in einer Gesprächsrunde. "Ich habe hier keine überirdische Heldin gespielt, sondern einfach eine junge Frau." Eine Bürgerin, mit der man sich identifizieren könne. Für Weber ist sie erst durch ihre Taten schließlich zur "wahren Heldin unseres demokratischen Europas geworden".

Scholl war einst selbst Mitglied im Bund Deutscher Mädel und wurde, nachdem sie unter anderem zum Reichskriegsdienst verpflichtet wurde, zur Regime-Kritikerin. 1943 schloss sich die Studentin der "Weißen Rose" an. Die Gruppierung druckte Flugblätter und bemalte Hausfassaden mit Botschaften, um auf die Verbrechen der Nazis aufmerksam zu machen. Wofür sie sich aussprachen: Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit und christliche Werte. Insgesamt verteilten die Freiheitskämpfer sechs Flugblätter. Eines schaffte es sogar bis nach Großbritannien, wo es anschließend tausendfach gedruckt und über Deutschland abgeworfen wurde. Im Februar 1943 wurden Scholl und ihr Bruder Hans vom Hausschlosser im Lichthof der LMU in München erwischt, als sie mehr als 800 Schriftwerke verbreiteten. Bestraft wurden sie dafür mit dem Tode. Die Hinrichtung fand noch am selben Tag statt.

Für Weber ist Sophie Scholl ein "Zeichen", für seine moralischen Werte einzustehen. Wenn man der Botschaft der Widerstandskämpferin folgt, ginge es dabei nicht ausschließlich darum, die Gegner der Demokratie zu besiegen, sondern Rückgrat zu beweisen. Das sei auch heute im Kampf gegen Extremisten weiterhin notwendig. "Wir haben steigende Zahlen von Leuten, die Europa abschaffen wollen", sagt Weber nach der Veranstaltung zur AZ. "Deshalb gibt es keinen besseren Moment als jetzt an die Weiße Rose zu erinnern", so der Politiker weiter.

Beunruhigende Entwicklung unter jungen Menschen: "Bitte nehmt es ernst und geht zur Wahl"

Laut einer repräsentativen Umfrage des Politikforschungsinstituts Ipsos könnten beide rechten Fraktionen im EU-Parlament - unter ihnen auch Extremisten wie die AfD-Politiker Maximilian Krah und Petr Bystron - bei der Wahl auf Zustimmungswerte um die 22 Prozent kommen. Im Vergleich zur vorletzten Abstimmung von vor zehn Jahren: ein Zugewinn von knapp sieben Prozent. Unter jungen Menschen zeichnet sich ebenso ein beunruhigender Trend ab. Zum ersten Mal dürfen bei der Wahl auch 16- und 17-Jährige abstimmen. Einer Untersuchung der Konrad-Adenauer-Stiftung zufolge sehen die Erstwähler die AfD als kompetenteste Partei, um Probleme in der EU zu lösen.

Auch mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine könnte die "Weiße Rose" eine Inspiration sein. Denn in Russland gebe es durchaus Potenzial für eine solche Gruppierung: "Die Bewegung gibt es", beobachtet Weber. Fraglich sei aber, wann eine solche Initiative wirklich mehrheitsfähig ist. Fest steht für den Politiker jedenfalls: Aufgrund der angespannten geopolitischen Lage, ist es unabdingbar, dass Europa zusammenhält. "Bitte nehmt es ernst und geht zur Wahl", so Webers Appell. "Wir werden es nur schaffen, wenn Europa eine gemeinsame Stimme entwickelt, sonst lacht und freut sich Putin."

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