Hauen und Stechen in der Seehofer-CSU: Die Gerüchteküche brodelt

MUENCHEN - Der Countdown läuft in der CSU: Morgen ist D-Day, dann fällt die Entscheidung über den neuen Ministerpräsidenten. Doch quer durch die Partei gibt's jede Menge Risse, Gräben, Interessen. Und noch viel mehr Gerüchte.
Heute ist schon Tag 9 nach dem Wahldesaster. Und in der CSU wird’s immer wilder. Denn morgen, am Mittwoch, fällt die Entscheidung, wer Bayerns künftiger Ministerpräsident wird. Erst im Parteivorstand. Danach in der die Fraktion.
Über das Prozedere wird noch heftig diskutiert. Denn es gibt nach wie vor drei Kandidaten. Keine Aussicht auf Einigung. Viele Gräben. Viele Risse. Viele Interessen. Und noch mehr Gerüchte:
Das Gängelband:Horst Seehofer ist sich der Landtagsfraktion nicht ganz sicher. Deshalb gab es gestern in seiner Truppe Überlegungen, nicht die Abgeordneten, sondern der Parteitag solle den Regierungschef küren. Das Thema sei zu wichtig, um es allein der Fraktion zu überlassen.
Die Landtagsfraktion fürchtet frisches Blut aus Berlin
Die Infusion: Die Fraktion fürchtet eine Blutauffrischung aus der Berliner Landesgruppe. Seehofer hatte verkündet, er wolle das Kabinett jünger und weiblicher machen. Doch die Landtagsfraktion ist geschrumpft, von 124 auf 92 Abgeordnete. „Frischzellen“ sind nicht dazugekommen.
Der Jungbrunnen: Aus der Landesgruppe stehen schon drei Kandidaten für einen Sprung ins bayerische Kabinett bereit: zwei Franken und eine Oberbayerin. Dorothee Bär (30) aus Bamberg ist glühende Anhängerin von Horst Seehofer. Vor zwei Jahren hatte sie noch gegen die Öffnung der CSU für ein modernes Familienbild gekämpft und erklärt: „Obgleich wir heute in der Lebenswirklichkeit zunehmend Single-Haushalten, Alleinerziehenden oder Patchwork-Familien begegnen, spiegelt dies nicht die tatsächliche Lebenssehnsucht vieler Menschen wieder.“ Gemeinsam mit dem Erlanger Stefan Müller (32) macht sie Druck über die Junge Union. Dritte im Bunde ist die Stoiber-Getreue Ilse Aigner (44) aus Westerham, die endlich auch was werden möchte.
Seehofers General: Markus Söder (41) organisiert für ihn die Mehrheit. Nur so hat der die Chance, selbst einmal an die Macht zu kommen. Joachim Herrmann (52) würde für Söder das Aus bedeuten.
Müller, Spaenle, Weber, Ferber: Wer alles auf eine neue Chance unter Seehofer lauert
Seine Hauptmänner- und -frauen:
Emilia Müller, Noch-Wirtschaftsministerin, Chefin der Frauenunion und der CSU-Oberpfalz, hat den Sprung in den Landtag nicht mehr geschafft. Sie hofft, dass Seehofer sie in sein Kabinett holt.
Ludwig Spaenle überrollte die Münchner Abgeordneten wie ein Panzer: Noch vor einem Jahr richtete er sein Feuer auf Seehofer, der sei charakterlos und leide an Realitätsverlust. Er will Wissenschaftsminister werden.
Manfred Weber, Europaabgeordneter und Niederbayern-Chef, organisierte noch den Rettungsring für Erwin Huber, lief dann aber gleich über. Er will ins Kabinett.
Markus Ferber, Chef der EU-Fraktion und der Schwaben, wollte schon bei Beckstein ins Kabinett, hofft jetzt auf eine neue Chance.
Die Ablenker: Die Unterfranken sind als einzige für Thomas Goppel als Ministerpräsident. Für ihr Aushängeschild Barbara Stamm wäre dann der Weg frei als Landtagspräsidentin. Goppel ist ihr einziger Konkurrent.
Angela Böhm