Hat Seehofer den Papst ausgetrickst?
Der Ministerpräsident hat von Benedikt XVI. die Kommunion empfangen – ob er das als Wiederverheirateter durfte, ist unklar.
Rom - Diesen Moment wird Horst Seehofer nicht vergessen. Als bayerischer Ministerpräsident führte er die Delegation zum 85. Geburtstag von Benedikt XVI. an. In der Cappella Paolina ließ er sich vom Papst die heilige Kommunion reichen. Das sorgt im Nachhinein für Irritationen in Kirchenkreisen. Hat Seehofer den Papst ausgetrickst?
Die katholische Kirche verweigert wiederverheirateten Geschiedenen die Eucharistie. Eine Lockerung lehnt Benedikt XVI. ab. Seehofer ist zum zweiten Mal verheiratet. Von seiner Jugendliebe Christel war er 1982 nach acht Jahren Ehe geschieden worden. Vor vier Jahren war’s noch anders. Da ließ er den katholischen CSU-Größen den Vortritt beim 20.Todestag von Franz Josef Strauß in der Rokoko-Kirche in Rott am Inn. Er stellte sich artig in den Mittelgang, wartete, bis alle von der Kommunion zurück waren und setzte sich dann wieder in seine Reihe. Drei Wochen später wurde er als Ministerpräsident vereidigt. Jetzt hüllt er sich in Schweigen.
Auch wenn Seehofer sonst bei jeder Gelegenheit von Transparenz spricht, aufklären will er die Sache nicht. Eine schriftliche Anfrage der AZ in der Staatskanzlei ignorierte er: „Weil’s seine Privatsache ist“, so seine Sprecherin. Erst am Wochenende beim Weltfamilientreffen in Mailand hatte Papst Benedikt XVI. das Verbot bekräftigt: Es sei eine „große Aufgabe“, dafür zu sorgen, dass sich wiederverheiratete Geschiedene „geliebt, akzeptiert und nicht ausgeschlossen fühlen, auch wenn sie nicht die Beichte, die Absolution und die Eucharistie empfangen können“. Wenn ihre Leiden „innerlich wirklich akzeptiert“ würden, trügen sie zu einer wirksameren Verteidigung von Ehe und dauerhafter Liebe bei, so der Papst.
Seit Jahren kämpfen der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, und sein Vorgänger Karl Lehmann um die Zulassung von Wiederverheirateten zur Kommunion. Bisher vergebens. Es gehe darum, Menschen zu helfen, „deren Leben in wichtigen Dingen unglücklich verlaufen ist“, so Zollitsch. Auch Ex-Bundespräsident Christian Wulff gehört zu den Betroffenen. Beim Besuch des Papstes in Deutschland hatte er in seiner Begrüßungsrede vor dem Schloss Bellevue das Kommunions-Verbot angesprochen: Er stelle sich immer wieder die Frage, wie barmherzig die katholische Kirche mit den Brüchen in den Lebensgeschichten von Menschen umgehe. Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller giftete daraufhin: „Als Bundespräsident hat Christian Wulff im staatlichen Sektor Anspruch auf besondere Achtung. Als Katholik hat er keine besonderen Vorrechte.“
Bei Seehofer bleibt die Kirche stumm. Alle sieben bayerischen Bischöfe waren in der Cappella Paolina dabei. Auch der Eichstätter Gregor Maria Hanke, zu dessen Diözese Seehofer gehört. Die beiden sind enge Vertraute. Als der Benediktiner noch Abt des Klosters Plankstetten war, zog sich Seehofer bei ihm zurück. Hanke offenbarte er sich, als 2007 sein jahrelanges Doppelleben in Berlin mit der Rechtsanwältin Anette Fröhlich aufflog. Die gemeinsame Tochter Anna-Felicia wird am 14. Juni fünf Jahre alt. 508 Euro zahlt Seehofer nach der Düsseldorfer Tabelle. Kontakt zu ihr pflegt er keinen. Der Bischof von Eichstätt beruft sich auf den Datenschutz. Eine öffentliche Stellungnahme sei deshalb nicht denkbar.
Nirgendwo ist die Beziehung zwischen Kirche und Staat enger als in Bayern. Im Konkordat von 1924 ist geregelt, dass der Freistaat die Bischöfe fürstlich entlohnt und ihnen eine standesgemäße Unterkunft zur Verfügung stellt. Auch von Münchens Erzbischof Reinhard Marx ließ sich Seehofer schon die Kommunion reichen. Bei der Fronleichnams-Prozession in München wird der Ministerpräsident allerdings diesmal fehlen. Als Bundesratspräsident reist er zwei Tage in die Niederlande zu Königin Beatrix und nach Belgien.