Hat Dominique Strauss-Kahn ein Alibi?
New York - Er sollte sich in Brüssel um das Rettungspaket für Portugal kümmern. Doch stattdessen sitzt Dominique Strauss-Kahn nun in Untersuchungshaft in East Harlem. Das New York Police Department hat inzwischen offiziell Haftbefehl gegen den Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) erlassen.
Die Vorwürfe gegen den Franzosen wiegen schwer: „Krimineller sexueller Akt, versuchte Vergewaltigung und Freiheitsberaubung in Verbindung mit sexueller Nötigung”. Sollte es stimmen, dass Strauss-Kahn in der Suite im 28. Stock des New Yorker Sofitel versuchte, nackt über ein Zimmermädchen herzufallen, könnten ihm in den USA bis zu zwanzig Jahre Haft drohen.
Der Stand der Ermittlungen spricht zunächst gegen ihn: Am Sonntagabend hat die 32-jährige Hotelangestellte – eine alleinerziehende Mutter aus dem Armen-Stadtteil Bronx – Strauss-Kahn bei einer Gegenüberstellung auf einer Wache in Manhattan eindeutig identifiziert. Danach wurde er in Handschellen abgeführt. Die Polizei will nun untersuchen, ob DNA-Spuren des angeblichen Opfers auf Strauss-Kahns Körper nachzuweisen sind. Ein Kampf könnte so rekonstruiert werden. Strauss-Kahn weist alle Vorwürfe „energisch” von sich.
Am Montag um 10.30 Uhr (Ortszeit) wird der IWF-Chef schließlich erstmals dem Haftrichter vorgeführt – er kann entscheiden, ob Strauss-Kahn gegen Kaution freigelassen wird oder wegen des Vorwurfs der versuchten Vergewaltigung in Haft bleibt.
Vergewaltigungs-Vorwurf auch aus Frankreich
Äußerst brisant ist: Noch bevor Strauss-Kahn vor den Haftrichter treten kann, wird er von einem schmutzigen Vorwurf aus seinem Heimatland eingeholt. Im Zusammenhang mit den aktuellen Ereignissen will ihn nun auch eine 31-jährige französische Journalistin verklagen. Tristane Banon ist das Patenkind von Strauss-Kahns zweiter Ehefrau und eine gute Freundin von Strauss-Kahns Tochter Camille. Ihr Vorwurf: Der IWF-Chef soll vor neun Jahren versucht haben, sie zu vergewaltigen. Damals hatte ihre Mutter, eine Abgeordnete der sozialistischen Partei (PS), ihr von einer Klage abgeraten. Strauss-Kahn ist als Schwerenöter bekannt. 2008, kurz nach seinem Amtsantritt in Washington, hatte er eine Affäre mit einer Mitarbeiterin des IWF.
Ist ihm sein Image nun zum Verhängnis geworden? Verschwörungstheoretiker glauben daran. „Ich bin von einer internationalen Verschwörung überzeugt”, sagte die sozialistische Politikerin Michèle Sabban. „Das ist eine neue Form eines politischen Attentats.” Befeuert werden die Komplott-Theorien unter anderem durch die Tatsache, dass ein junger Anhänger der französischen Regierungspartei UMP die Nachricht als erster über Twitter verbreitet hatte. Liebster Fakt jener, die an eine Hetzkampagne glauben: Die Zimmernummer der Luxus-Suite – 2806 – entspricht dem Datum der parteiinternen Vorwahlen für die Präsidentschaftskandidatur.
Für ein Komplott um Strauss-Kahn spräche letztlich nur ein wasserdichtes Alibi. Nach Angaben seiner Anwälte, so berichtet der französische Radiosender RMC, hat er dieses: Er habe das Hotel eine Stunde vor dem vermeintlichen Tatzeitpunkt um 13 Uhr verlassen und sich mit seiner Tochter zum Mittagessen getroffen. Dafür gebe es Zeugenaussagen und Beweise. Auch die Zeitung „Le Monde” bestätigte, Strauss-Kahn habe seine Hotelrechnung um 12.28 Uhr bezahlt und sei nach dem Essen direkt zum Flughafen gefahren.