Hass bis in den Tod – Abschied von General Jaruzelski

Pfiffe und Tumulte vor der Warschauer Militärkathedrale, Polizeischutz für die Trauermesse: Auch im Tod bleibt Polens letzter kommunistischer Staatschef Wojciech Jaruzelski umstritten.  
von  dpa
Heftige Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern gab es bei der Beerdigung von Ex-General Wojciech Jaruzelski.
Heftige Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern gab es bei der Beerdigung von Ex-General Wojciech Jaruzelski. © dpa

Pfiffe und Tumulte vor der Warschauer Militärkathedrale, Polizeischutz für die Trauermesse: Auch im Tod bleibt Polens letzter kommunistischer Staatschef Wojciech Jaruzelski umstritten.

Warschau  – Das Gesicht von Monika Jaruzelska wirkte versteinert, als die militärische Ehrenwache mit gezogenen Säbeln Abschied von ihrem Vater nahm. Pfiffe übertönten die Orgel und den Chor in der Warschauer Militärkathedrale. Mehrere hundert Demonstranten, die sich draußen versammelt hatten, hielten über den Tod hinaus fest an ihrem Hass gegen General Wojciech Jaruzelski, den letzten kommunistischen Staatschef Polens.

Vergeblich hatten Kirchenführer und Politiker in den vergangenen Tagen an die Gegner des Generals appelliert, am Grab sei kein Platz für Hass. Der Tod des am Sonntag im Alter von 90 Jahren gestorbenen Jaruzelski sei der Zeitpunkt für Vergebung. Eine kleine, lautstarke Minderheit sah das anders. Während die einen in der bis auf den letzten Platz gefüllten Kirche Abschied nahmen, skandierten die Demonstranten: „Nach Moskau, nicht nach Powazki!“

Powazki, das ist der Warschauer Militärfriedhof, weitaus mehr als nur eine letzte Ruhestätte. Hier sind die Gräber der Aufständischen gegen die Russen, der Kämpfer für die Unabhängigkeit des Landes, der Untergrundkämpfer gegen die deutsche Besatzung im Zweiten Weltkrieg.

Wenn an Allerheiligen die Polen ihrer Toten gedenken, dann leuchtet ein Kerzenmeer vor dem Denkmal für die vom sowjetischen Geheimdienst ermordeten polnischen Offiziere in Katyn oder den schlichten Birkenkreuzen auf den Gräbern der blutjungen Pfadfinder, die im Warschauer Aufstand 1944 ums Leben kamen. An diesem Ort patriotischer Erinnerung wollte auch Jaruzelski seine letzte Ruhe finden, als Soldat unter Soldaten. Auch er hatte im Zweiten Weltkrieg gekämpft, in den polnischen Einheiten innerhalb der Roten Armee, bis hin zum Kampf um Berlin.

Ein Begräbnis mit militärischen Ehren, aber keine Staatstrauer – auf diese Formel brachte die polnische Staatsführung den Abschied von dem umstrittenen General, der 1981 das Kriegsrecht verhängt hatte, aber auch 1989 mit den Gesprächen am Runden Tisch den friedlichen politischen Wandel ermöglicht hatte. Bei der Trauermesse fehlte Regierungschef Donald Tusk, aber Staatspräsident Bronislaw Komorowski saß ebenso in der ersten Reihe wie der einstige Arbeiterführer Lech Walesa und Ex-Präsident Aleksander Kwasniewski.

„Ich verabschiede heute den Präsidenten der Zeit des Systemwandels in Polen“, sagte Komorowski. „Ich nehme Abschied von einem der letzten Politiker, der Symbol ist für das schwere, oft tragische Schicksal der Nachkriegsgeneration, einer tief gespaltenen Generation. Abschied von einem Soldaten und Menschen, der die Last der Verantwortung für die schwierigste und wohl dramatischste Entscheidung der Nachkriegsgeschichte Polens trug.“ „Die Geschichte wird noch lange seine Worte und Taten beurteilen“, sagte Militärbischof Jozef Gudzek in seiner Predigt über Jaruzelski.

„Aber im Tod eines Menschen gebührt das (letzte) Gericht nur Gott.“ Doch der christliche Appell zu Vergebung und Barmherzigkeit erreichte nicht alle. In einer Facebook-Gruppe schlossen sich bis Freitag mehr als 34 000 dem Appell an, Jaruzelski nicht in Powazki beizusetzen. Ein nationalkonservativer Abgeordneter rief dazu auf, den Zugang zum Friedhof zu blockieren. Und als die Teilnehmer der Trauermesse die Kirche verließen, wurden sie von den Demonstranten als „Verräter“ beschimpft. Eine Ehrenwache von Bergleuten brauchte sogar Polizeischutz.

„Schande über euch!“ schrie ein älterer Mann und schwenkte Bilder mit den Bildern der Bergleute, die während des Kriegsrechts von der Miliz erschossen worden waren. „Ihr beschmutzt diese Uniform, wenn ihr den Mörder eurer Kumpel zum Grab begleitet.“

 

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