Hartz IV: Zu wenig zum Leben
KASSEL - Das Bundessozialgericht hat entschieden: Die Hartz-IV-Sätze für Kinder reichen nicht zum Leben - und sind deshalb verfassungswidrig.
Vor exakt fünf Jahren wurde das Hartz-IV-System eingeführt – unter massiven Debatten. Jetzt brechen oberste Richter erstmals ein großes Stück davon heraus: Die Sätze für Kinder sind verfassungswidrig, urteilte das Bundessozialgericht am Dienstag.
Derzeit bekommen Kinder bis 14 Jahre 211 Euro im Monat – das sind 60 Prozent des Satzes für Erwachsene. Das Bundessozialgericht hält das aus gleich drei Gründen für verfassungswidrig: Erstens benachteilige es Kinder willkürlich gegenüber Erwachsenen, ohne dass der Gesetzgeber ihren tatsächlichen Bedarf ermittelt und definiert hätte - das sei aber im „grundrechtssensiblen Bereich des Existenzminimums“ zwingend. Zweitens benachteilige es Hartz-IV-Kinder gegenüber Sozialhilfe-Kindern, weil letztere Sonderzuweisungen für besondere Ausgaben bekommen können. Und drittens sei der Satz für ein Baby genauso hoch wie für einen 13-Jährigen, obwohl der Bedarf ganz anders sei.
Als das Bundessozialgericht dieses Urteil verkündete, kam im Saal – sehr unüblich – Beifall auf. Die Richter verfügten, dass die 60-Prozent-Grenze entweder gekippt werden oder sehr viel besser begründet werden muss. An der Rechtmäßigkeit des Erwachsenen-Satzes (351 Euro) bestehe aber kein Zweifel. Allerdings legten sie das Verfahren nun auch noch dem Bundesverfassungsgericht vor. Geklagt hatten zwei Familien aus Dortmund und Lindau.
Hartz-IV-Kritiker reagierten euphorisch. „Das ist eine schallende Ohrfeige für den Gesetzgeber“, so der Paritätische Wohlfahrtsverband. Die Regierung allerdings sieht keinen Anlass zum Handeln: Mit dem gestern beschlosenen Konjunkturpaket II würden die Kindersätze ja schon auf 70 Prozent erhöht.
tan
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