Hartz-IV-Reform und die Folgen: Der 92-Cent-Rausch

BERLIN - Bis in den Promille-Bereich legt das Gesetz fest, was arme Bürger zum Leben brauchen. Die AZ stellt vor, nach welchen Maßstäben die Statistiker das Existenzminimum definieren - und wo es künfitg mehr gibt als bisher.
Wie viel braucht der Mensch zum Leben? Das Arbeitsministerium rechnet in seinem Gesetzentwurf mit viel Akribie vor, wie der neue Hartz-IV-Satz zustande kommt. Höhepunkt ist die Passage, dass 11,53 Prozent des Alkoholkonsums nicht der Flüssigkeitszufuhr dienen würden – was dann auch säuberlich herausgerechnet wird.
Was ist die Rechengrundlage?
Basis ist die alle fünf Jahre erstellte Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts. Bisher wurde als Grundlage genommen, was die ärmsten 20 Prozent der Bürger pro Monat für welche Produkte ausgeben; künftig sind die ärmsten 15 Prozent die Basis – das drückt die Sätze nach unten.
Was gehört zum Existenzminimum?
Nicht alle Ausgaben jener Geringverdiener erkennt die Regierung als existenznotwendig an. Gestrichen wurden die Posten für Alkohol und Tabak, dies seien „gesundheitsgefährdende Genussgifte“, heißt es in von der Leyens Gesetzentwurf. Null Cent gibt es auch für Haustiere, Pflanzen, Pauschalreisen, Auto, Benzin und Lotto – wer sich das leistet, muss woanders sparen. Das gleiche gilt für Urlaube, Restaurants und Schmuck. Bei Uhren unterscheidet der Gesetzgeber feinsinnig: Für Armbanduhren sind im Regelsatz 59 Cent pro Monat vorgesehen, Küchenuhren aber gehören nicht zum Existenzminimum. Inklusive Inflationszuschlag ergibt das die beschlossene Summe von 364 Euro.
Wie ist die Alkohol-Rechnung?
Laut EVS 2008 gibt ein Geringverdiener im Monat 8,11 Euro für Alkohol aus. Davon entfallen, so der Gesetzestext, „rechnerisch 11,35 Prozent auf Spirituosen, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht dem Zweck der Flüssigkeitsaufnahme dienen“. Also 92 Cent für den reinen Rausch. Bleiben noch 7,19 Euro. Dafür ließen sich „etwa zwölf Liter preiswertes Bier“ kaufen, stellen die Beamten fest und billigen es dem Arbeitslosen zu, „dass er dieses Flüssigkeitsvolumen durch alkoholfreie Getränke substituiert“. Dafür stellen sie 2,99 Euro zur Verfügung. Beim Discounter gebe es zwölf Liter Wasser für 1,52 Euro, „also ist bei preisbewusstem Einkauf noch Spielraum für Saft“, so das Gesetz.
Wo gibt’s mehr als bisher?
Neu aufgenommen in den Katalog wurde die Praxisgebühr (2,64 Euro im Monat) und das Internet (2,28). Davon lässt sich zwar kein Internetzugang finanzieren; doch weil auch viele Geringverdiener keinen Internetzugang haben, ergeben sich 2,28 Euro als Durchschnittswert.
tan