Hartmut Mehdorn tritt zurück: Das Ende des Rambo-Managers
BERLIN - Bahnchef Hartmut Mehdorn wird Opfer seiner eigenen Manager-Methoden: Zu rücksichtslos ging er gegen die eigenen Mitarbeiter vor. Die Karriere des erfolgreichen Unternehmenschefs ist beendet. Ein Portrait.
Selten hat ein Manager so viel Unmut auf sich gezogen wie Hartmut Mehdorn als Bahnchef. In den letzten Monaten sorgte sein Unternehmen für reichlich Schlagzeilen: Bedienzuschlag, Bonuszahlung, Achsenproblem, gescheiterter Börsengang und die Datenaffäre. Nach der Aufsichtsratsitzung vom vergangenen Freitag hing Mehdorns Verbleib an der Konzernspitze mehr denn je an einem seidenen Faden: Wegen der Datenaffäre forderten die Gewerkschaften seinen Rücktritt und auch das Verkehrsministerium wollte sich zur Zukunft Mehdorns nicht festlegen. Mehdorn selbst hat bisher die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen und wollte auch von Rücktritt nichts wissen.
„Diplomat wollte ich nie werden“, heißt das Buch, in dem er Autobiografisches veröffentlicht hat, und in der Tat zieht sich neben dem Bild des erfolgreichen Sanierers auch das des Elefanten im Porzellanladen durch sein Leben. Der 66-jährige Manager sollte laut Vertrag noch zwei Jahre im Amt bleiben, auch wenn das formal den Unternehmensrichtlinien widerspricht. Die fordern, dass mit 65 Schluss sein sollte. Mehdorn wirkt stets ungeduldig, als wolle er schneller fertig werden, als es die Umstände zulassen. Er packt an und ist stolz auf dieses Image. Sein Hauptmerkmal, das ihn auch viele Sympathien besonders in der Politik gekostet hat, ist aber die Direktheit, mit der er seine Ziele benennt und durchzusetzen versucht.
Er machte Fahrgäste für mangelnde Sauberkeit verantwortlich
Andererseits gab es auch viele Mehdorn-Fans, besonders in seinem Unternehmen – jedenfalls bis zum Beginn der Datenaffäre. Ein gutes Händchen bei der Auswahl seiner Vorstandskolleginnen und -kollegen bewirkte, dass er im Gegensatz zu anderen wiedervereinigten Ex-Staatskonzernen Zigtausende Mitarbeiter wegrationalisierte, ohne sie auf die Straße setzen zu müssen. Ein konzerninterner Arbeitsmarkt und Insourcing trugen dazu bei. Die Öffentlichkeit, die mehrheitlich jede Unpünktlichkeit dem Vorstandsvorsitzenden persönlich zuschreibt, hat ihn bereits von „Hartmut“ in „Bahnchef“ umgetauft, wie er gerne sarkastisch bemerkt. Er teilt aber auch selbst gerne aus. Einmal ging er so weit, die Fahrgäste dafür verantwortlich zu machen, dass die Züge der Bahn nicht immer so sauber sind, wie man es erwartet. Beim Bundestag, den er für die Bahnreform unbedingt braucht, verspielte er sich mit dieser hemdsärmeligen Art parteiübergreifend einige Sympathien. Ein Aufsichtsrat aus mehr als 600 Menschen, die alle mitreden wollen, ist für ihn wohl ein bisschen viel. Auch wenn es auf absehbare Zeit nicht bis zur Börsenfähigkeit gereicht hat, war die Sanierung der Bahn eine stringente Fortsetzung seiner Karriere. Immerhin handelt es sich dabei inzwischen um einen echten Global Player in der absoluten Spitzengruppe des Logistikmarkts.
Gerhard Schröder holte ihn zur Bahn
Der Maschinenbauingenieur Mehdorn, am 12. Juli 1942 in Warschau geboren, ist das Bohren dicker Bretter gewohnt. Seine Stationen als Manager bei VFW Fokker (1966-1978), MBB (1984-1989), Airbus (ab 1989) und bei der Deutschen Aerospace (DASA, 1989-1995) waren stets von einschneidenden Maßnahmen der Anpassung an die Globalisierung geprägt. Erst recht traf das auf den Chefposten bei der Heidelberger Druckmaschinen AG (1995-1999) zu. Bundeskanzler Gerhard Schröder holte ihn als Nachfolger des glücklosen Johannes Ludewig zur Bahn – mit dem erklärten Ziel, sie kapitalmarktfähig zu machen. Beim Kampf an fast allen Fronten für dieses Ziel überwand Mehdorn härtesten Widerstand aus Industrie und Parlament, musste aber bei den Besitzverhältnissen am Ende doch zurückstecken. Das Netz gehört nach der Privatisierung juristisch weiter dem Bund. Mehdorn hat zahlreiche Auszeichnungen bekommen, darunter zwei Ehrendoktortitel. Frankreichs Präsident Jacques Chirac beförderte den Bundeswehr-Hauptmann der Reserve für seine Verdienste um die deutsch-französische Freundschaft zum Kommandeur der Ehrenlegion. Sogar „Ex-Raucher des Jahres 2002“ wurde Mehdorn. Er ist seit 1973 mit einer Französin verheiratet und hat drei Kinder.