Hannelore Kraft: Gegenwind für die Sozi-Mutti

Hannelore Kraft will imMai Ministerpräsidentin von NRW werden. Die Umfragen sehen sie Kopf an Kopf mit CDU-Regent Rüttgers – doch mit ihrem Hartz-IV-Vorstoß geht sie ein großes Risiko ein
von  Abendzeitung
ach der Wahl sollte eigentlich alles nach ihrer Pfeife tanzen. Doch mit dem Hartz-IV-Vorschlag hat sich Hannelore Kraft geschadet.
ach der Wahl sollte eigentlich alles nach ihrer Pfeife tanzen. Doch mit dem Hartz-IV-Vorschlag hat sich Hannelore Kraft geschadet. © dpa

Hannelore Kraft will imMai Ministerpräsidentin von NRW werden. Die Umfragen sehen sie Kopf an Kopf mit CDU-Regent Rüttgers – doch mit ihrem Hartz-IV-Vorstoß geht sie ein großes Risiko ein

DÜSSELDORF Hannelore Kraft hat es endlich geschafft: Rechtzeitig zum Wahlkampf-Endspurt in Nordrhein-Westfalen beherrscht die SPD-Spitzenkandidatin die Schlagzeilen. Allerdings nicht ganz mit dem Zungenschlag, wie es sich die Ober-Genossin wünschen würde. Für ihren Vorschlag, mehr gemeinnützige Jobs für Hartz-IV-Empfänger zu schaffen, kassiert die 48-Jährige vielmehr ordentlich Dresche.

Kraft hatte am Wochenende im Fahrwasser der Westerwelle-Schneeschipp-Debatte vorgeschlagen, nicht vermittelbare Erwerbslose etwa zum Straßenfegen oder zum Vorlesen in Altenheimen einzusetzen. Mit Steuergeldern sollten gemeinnützige Arbeitsplätze für unvermittelbare Langzeitarbeitslose geschaffen werden. Nach heftiger Kritik aus dem Gewerkschaftslager schob sie am Montag eilig nach, sie wolle niemanden zu etwas zwingen: „Im Gegensatz zu den Plänen von FDP-Chef Guido Westerwelle, der den Druck auf unwillige Langzeitarbeitslose erhöhen will, geht es mir um Freiwilligkeit.“

Doch das Zurückrudern half wenig: Ministerpräsident Jürgen Rüttgers erkannte eine Chance, von seiner eigenen Sponsoring-Affäre abzulenken. Prompt warf sich der CDU-Vize wieder in die Rolle des „Arbeiterführers“ und drosch auf seine Rivalin ein: So darf man nicht mit Menschen umgehen“, krokodilstränte der Mann, der einst die Parole „Kinder statt Inder“ ausgegeben hatte. Krafts Vorstoß sei „zynisch und undurchdacht“: Erstens schreibe sie damit ein Viertel der Langzeitarbeitslosen ab. Und zweitens bestehe die Gefahr, dass sozialpflichtige Arbeitsplätze abgebaut würden.

Auch der heftig umworbene Lieblings-Koalitionspartner reagierte konsterniert: „Warum liefert Hannelore Kraft mit ihrem Vorschlag eine Steilvorlage für die FDP?", fragte Grünen-Landeschef Arndt Klocke. Die Linke schloss ein rot-rot-grünes Bündnis aus, falls Kraft ihren Plan nicht zurücknehme. Skeptisch zeigte sich auch die Bundesagentur für Arbeit: „Wir organisieren bereits heute in erheblichem Umfang gemeinnützige Jobs für Langzeitarbeitslose.“

Dabei hatte die 48-jährige Arbeitertochter aus Mülheim an der Ruhr, die lange als chancenlose Sozi-Mutti verspottet worden war, zuletzt Oberwasser: Umfragen sehen die SPD Kopf an Kopf mit der CDU, und selbst bei den Beliebtheitswerten schneidet sie kaum schlechter ab als Rüttgers.

Kraft hat in der SPD, in die sie 1994 eingetreten ist, schnell Karriere gemacht, die Ochsentour durch miefige Provinz-Hinterzimmer blieb ihr erspart: Kaum in den Landtag gewählt, wurde die verheiratete Mutter eines Kindes 2001 Ministerin. Als die Wähler die SPD im Stammland NRW 2005 in die Opposition schickten, wählten die Genossen Kraft erst zur Fraktions- und später auch zur Landesvorsitzenden. Seit November 2009 ist Kraft auch stellvertretende Chefin der Bundes-SPD: Bei der Wahl erhielt die Diplom-Ökonomin das beste Ergebnis aller Gabriel-Vizes.jox

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