Hamburg: Tschüß, Ole von Beust

HAMBURG - Der Hamburger Regierungschef Ole von Beust mag nicht mehr: Er ist gefrustet über das ruppigere Klima in Stadt und Land. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel heißt das nichts Gutes: Schon wieder einer weniger.
Es ist ein weiteres Kapitel in dem beispiellosen Auszehrungsprozess der CDU: Mit Hamburgs Regierungschef Ole von Beust war gestern in weniger als einem Jahr bereits der sechste Unions-Ministerpräsident auf dem Absprung. Die mögliche Niederlage beim gestrigen Volksentscheid über die Schulpolitik in der Hansestadt war wohl nur noch der letzte sprichwörtliche Tropfen. Beust gilt als amtsmüde und resigniert; in Interviews zog der 55-Jährige eine durchwachsene Bilanz seiner Bürgermeister-Ära.
Die hatte 2001 durchaus aufsehenenerregend begonnen: Zunächst regiert der CDU-Mann mit dem Rechtspopulisten Ronald Schill und der FDP, dann holt er für die CDU sogar die absolute Mehrheit im roten Hamburg. Nach Verlusten bei der Bürgerschaftswahl 2008 gelingt es Ole von Beust noch einmal durchzustarten: mit der ersten schwarz-grünen Koalition auf Länderebene sorgt er für Furore.
Doch von da an geht’s bergab. Der eigene Etat in der Krise, eine milliardenschwere Rettungsaktion für die landeseigene HSH Nordbank, dazu Probleme wie das Finanzdebakel beim Neubau der spektakulären Elbphilharmonie: Mehr und mehr gerät Beust unter Druck - und verliert wohl auch die Lust. In den letzten Tagen gibt sich Beust gar keine Mühe mehr, seinen Frust zu beschönigen. Während der Wahlkampf für den Schulentscheid tobt, seilt sich der Regierungschef zum Kurzurlaub nach Sylt ab. Und gleichzeitig sagt er düstere Sätze: In der Stadt gebe es nun „mehr Menschen am unteren Ende“ und gleichzeitig „mehr Menschen, die unverhohlen mit ihrem Reichtum angeben“. Am Ende verzweifelt er wohl am ruppiger werdenden Klima im ach so hanseatisch-vornehmen Hamburg. Und an einer Bundesregierung, die das ihre tut: Beust reiht sich ein bei den internen Kritikern von Bundeskanzlerin Angela Merkel und der sozialen Schieflage ihres Sparpakets.
Nachdem schon in den vergangenen Tagen die Rückzugsgerüchte kaum noch dementiert werden, wird es am Sonntag ernst: Noch während die Bürger abstimmen (das Ergebnis sollte erst spät in der Nacht vorliegen), trifft sich der CDU-Vorstand zur Krisensitzung. Alle rechnen mit einem Abgang des Bürgermeisters. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe sitzt die Führung noch hinter verschlossenen Türen zusammen. Dafür dringt ein Vorbote nach draußen: Beusts parteilose Kultursenatorin Karin von Welck tritt auch zurück, heißt es. Sie war wegen der Elbphilharmonie besonders unter Beschuss.
Nachfolger Beusts soll nun Christoph Ahlhaus werden. Der Innensenator gilt als Hardliner, er wird auch die politische Atmosphäre im Stadtstaat verändern nach dem eher großstädtisch-liberalen Beust, der zwar nie offen sein Schwulsein bestätigte. Aber auch nicht widersprach, als sein Vater dies für ihn tat.
Nun ist unklar, wie es an der Elbe weitergeht. Die SPD fordert Neuwahlen. Sollte sie die gewinnen, könnte ein alter Bekannter ins Rennen steigen: der frühere Arbeitsminister Olaf Scholz. Frank Müller