Haft für Oppositionschefin Timoschenko

In einem umstrittenen Prozess ist die frühere ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko in Untersuchungshaft genommen worden.
von  dpa

Kiew/Moskau - Die Justiz in Kiew ließ die wegen Amtsmissbrauchs angeklagte Oppositionsführerin, eine Galionsfigur der prowestlichen Orangenen Revolution von 2004, am Freitag direkt vom Gerichtssaal aus in ein Gefängnis bringen. Die Staatsanwaltschaft habe die Haft nach mehreren Störversuchen der 50-Jährigen beantragt, meldete die Agentur Interfax aus dem Gericht.

Nach der Entscheidung kam es zu Handgreiflichkeiten im Saal. Vor dem Gebäude mussten Sicherheitskräfte Demonstranten von der Straße drängen, damit der Polizeiwagen mit der Politikerin zum Gefängnis fahren konnte. Dabei seien mehrere Menschen leicht verletzt worden, teilten die Behörden mit. Timoschenkos Anhänger riefen für Montag, wenn der Prozess fortgesetzt werden soll, zu Protesten auf.

Timoschenko warf der Regierung eine Hetzjagd vor. Es gehe darum, die Gegner von Präsident Viktor Janukowitsch politisch kaltzustellen. "Es ist klar, dass es hier um die Abrechnung mit einem politischen Gegner geht." Der Staatschef der Ex-Sowjetrepublik wies dies zurück.

Das Präsidialamt greife nicht in die Abläufe der Justiz ein, sagte Janukowitschs Sprecherin. Westliche Beobachter hatten sich mehrfach skeptisch zur Anklage geäußert. Er sei beunruhigt über den möglichen politischen Hintergrund der Haft, teilte der Präsident des Europaparlaments, Jerzy Buzek, mit.

Laut Anklage soll die Ukraine während Timoschenkos Amtszeit durch ein Gasgeschäft mit Russland Hunderte Millionen Euro verloren haben. Die Ex-Regierungschefin widerspricht dem. Bei den Verhandlungen mit ihrem damaligen Amtskollegen Wladimir Putin sei alles mit rechten Dingen zugegangen. Russland nahm Timoschenko in Schutz. "Alle 2009 vereinbarten Gasabkommen wurden in strikter Übereinstimmung mit der nationalen Gesetzgebung der beiden Staaten und internationalem Recht beschlossen", erklärte das Außenministerium in Moskau.

Kurz vor Timoschenkos Festnahme belastete Regierungschef Nikolai Asarow als Zeuge in dem seit Ende Juni laufenden Prozess die Angeklagte schwer. Seine Vorgängerin habe 2009 mit Russland ein "verräterisches" Gasabkommen geschlossen, das für die Ukraine "völlig unvorteilhaft" sei. Die in dem Abkommen vorgesehene Preiserhöhung habe das Land fast in den Bankrott getrieben, sagte Asarow. Vor gut einer Woche hatte das Gericht die Untersuchungshaft noch abgelehnt.

Timoschenko war nach der Orangenen Revolution Regierungschefin geworden. 2010 verlor die Politikerin mit dem markanten blonden Haarkranz gegen Janukowitsch bei der Präsidentenwahl.

Timoschenko hat nicht das erste Mal Ärger mit der Justiz. Sie war in den 1990er Jahren durch die Privatisierungswelle nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion an der Seite ihres Mannes zur "Gasprinzessin" aufgestiegen. 1999 wurde sie Vizeregierungschefin unter dem damaligen Präsidenten Leonid Kutschma. Doch der ließ sie fallen, als sie 2001 wegen Schmuggels und Urkundenfälschung angeklagt wurde. Damals verbrachte sie mehr als 40 Tage in Untersuchungshaft.

Außerdem soll sie Mitte der 1990er Jahre im Zuge zwielichtiger Geschäfte auch russische Militärs bestochen haben, weshalb die Moskauer Justiz sie per Haftbefehl suchte. Das Verfahren wurde aus Gründen der Immunität zunächst nicht weiterverfolgt.

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