Guttenbergs Flucht nach Afghanistan

Die Affäre belastet den Minister selbst in der CSU: „Wenn er es nicht entkräften kann, ist er weg.”
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BERLIN -  Die Nacht war kühl, aber ruhig im „Außenposten Nord”. Verteidigungsminister Guttenberg übernachtete erstmals in der „Kampfzone”, bei seinen Jungs von der Bundeswehr in Afghanistan – tausende Kilometer entfernt von Promotionsordnungen und dem Ärger um seine Doktor-Arbeit.
 

Die Taliban blieben friedlich, seine Kritiker nicht, und sie fanden noch mehr Stellen, an denen der CSU-Star für seinen „Doktor” abgeschrieben haben soll. Die Solidariät in der CSU für ihren Star lässt merklich nach. In der Parteispitze heißt es: „Wenn er es entkräften kann, ist es weg. Wenn er es nicht entkräften kann, ist er weg.” Die „Super-Gutti-Stimmung” in der CSU kippt: „Das muss er mit sich alleine ausmachen.”
 

Auch Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagt, die Plagiatsvorwürfe sollten „in Ruhe aufgeklärt werden”.
Mindestens 20 Textstellen, an denen Guttenberg teilweise ganze Passagen wortgleich von anderen Autoren übernommen hat, sind mittlerweile dokumentiert. Entdeckt hatte die ersten Übereinstimmungen der Bremer Professor Andreas Fischer-Lescano. Mittlerweile beteiligt sich die Online-Gemeinde an der Plagiatsforschung (http://de.guttenplag.wikia.com). Ziel sei, „die Integrität des Doktortitels in Deutschland zu sichern”, so die Betreiber.
 

Die Passauer Politik-Professorin Barbara Zehnpfennig äußerte über den Minister „Unverständnis, wie man sich so eine Blöße geben kann.” Ein Artikel, den sie 1997 in der FAZ veröffentlicht hatte, steht in Guttenbergs Dissertation streckenweise wortgleich im Vorwort – dort, wo man eigene Gedanken formulieren soll. Dass er seinen Doktortitel aberkannt bekommen soll, soweit geht die Wissenschaftlerin nicht. Es droht ihm unter Umständen gleichwohl.
 

SPD-Sicherheits-Experte Gernot Erler sieht durch die Affäre einen „Autoritätsverfall Guttenbergs” und die „Frage, wie lange Bundeskanzlerin Angela Merkel dem noch zuschauen kann. Die Linke fordert Guttenbergs Rücktritt. Bei der CDU sieht man eine „politisch motivierte Kampagne” und „eine weitere Episode im Spiel ,Schlag den Guttenberg’”, wie Unions-Vize Günter Krings sagt.
Justizministerin Schnarrenberger warnt vor „Vorverurteilungen und aufgeregten Kommentaren. Bayerns Hochschulminister Wolfgang Heubisch sieht das Verfahren bei der Uni Bayreuth „in besten Händen”. Die Landtags-SPD hat den Minister zur „aktiven Aufklärung der Affäre aufgefordert.
 

Guttenberg selbst hatte die Vorwürfe „abstrus” genannt, gleichwohl eingeräumt, möglicherweise „einzelne Fußnoten” vergessen zu haben. Dann war er überraschend, und entgegen üblicher Gepflogenheiten ohne großen Medientross nach Afghanistan abgereist. Eindrucksvolle Bilder des Ministers gab es diesmal nicht. Wann er zurückkommt, ist auch geheim.
Über Guttenberg, der in Berlin nach Entlassung des Generalinspekteurs, eines Staatssekretärs und des Gorch-Fock-Kapitäns im Ruf drastischer Personalentscheidungen steht, kursiert in Berlin ein neues Bonmot: „Jetzt entlässt er seinen Doktorvater.

 

 

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