Guttenberg reist überraschend zum Hindukusch
BERLIN/KABUL - Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will sich einen Überblick über die Lage in Afghanistan verschaffen: Er trifft Präsident Karsai, Isaf-Kommandeur McChrystal - und deutsche Soldaten.
Der neue Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist am Donnerstag zu seinem ersten Besuch in Afghanistan eingetroffen. Erste Station der nicht angekündigten Visite war das Hauptquartier der internationalen Schutztruppe Isaf in der Hauptstadt Kabul, wo er den amerikanischen Isaf-Kommandeur Stanley McChrystal treffen sollte.
Guttenberg zog eine gemischte Bilanz der vergangenen acht Jahre, in denen sich in die internationale Gemeinschaft in Afghanistan engagiert. In einigen Bereichen habe es Erfolge, in anderen Stagnation gegeben, sagte der Minister in Kabul. Nach den USA, Großbritannien und den Vereinten Nationen forderte auch Guttenberg Präsident Hamid Karsai zu konkreten Schritten auf. «Wir stehen zu unserem Einsatz, aber wir wollen wissen, was die afghanische Regierung als nächste Ziele plant.»
Treffen mit politischer Spitze
Karsai war in der vergangenen Woche im Amt bestätigt worden. Bei seinem Besuch will Guttenberg mit dem afghanischen Präsidenten zusammenkommen, der sich nach der hoch umstrittenen Präsidentschaftswahl mit internationaler Kritik an seiner Regierung konfrontiert sieht. Thema des Treffens mit Karsai soll «das Zusammenspiel mit Pakistan» sein. Bei einem Treffen mit seinem afghanischen Amtskollegen Abdel Rahim Wardak will Guttenberg ferner über den Aufbau der afghanischen Armee beraten. Guttenberg sagte, seine Visite sei ein Antrittsbesuch bei den Soldaten und bei der politischen Spitze des Landes. Er wolle erfahren, wie sich die neue Regierung in Afghanistan aufstelle und die Position der Bundesregierung deutlich machen.
"Sie haben gemerkt, dass es eine andere Wortwahl gibt"
Zur Diskussion, ob es sich in Afghanistan um einen Krieg handele, sagte Guttenberg vor deutschen Soldaten im Isaf-Hauptquartier: "Sie haben gemerkt, dass es eine andere Wortwahl gibt." Guttenberg hatte nach seinem Amtsantritt von "kriegsähnlichen Zuständen" in Afghanistan gesprochen. Am Donnerstag betonte er, das sei nicht gleichzusetzen mit Krieg. "Wir haben aber auch eine neue völkerrechtliche Einschätzung zu diskutieren." Am Nachmittag will der Minister Bundeswehr-Soldaten im deutschen Verantwortungsbereich im Norden Afghanistans besuchen. Im Bundestag hatte Guttenberg am Dienstag die Situation in Afghanistan erneut als kriegsähnlich charakterisiert. Die Soldaten stünden häufig in zum Teil intensiven Gefechten, sagte Guttenberg. Gefahr, Verwundung und auch Tod seien allgegenwärtig. «Das dürfen wir nicht mit bürokratischen Formeln weichzeichnen.» Der Bundestag entscheidet im Dezember über die Verlängerung des Mandates für die Beteiligung der Bundeswehr an der Isaf. Deutschland hat mehr als 4500 Soldaten in Afghanistan stationiert, die meisten von ihnen im Norden des Landes. Thema der Gespräche solle zudem das verstärkte Eingreifen der USA in Nordafghanistan sein, sagte Guttenberg zuvor. Er verfolge die US-Aktivitäten im Bereich des deutschen Einsatzgebiets «nicht mit großen Ingrimm». Die US-Regierung überprüft zurzeit ihre künftige Afghanistan-Strategie.
nz