Guttenberg: Krieg an drei Fronten
Harte Zeiten für den Verteidigungsminister: Die Bundeswehr macht Negativ-Schlagzeilen, die Opposition wirft ihm Fehlinformation vor und in der CSU-Spitze ist man auch sauer auf ihn.
BERLIN Für Karl-Theodor zu Guttenberg kommt’s zurzeit ganz dick: An gleich drei Fronten muss sich der Bundesverteidigungsminister mit Negativ-Schlagzeilen herumschlagen. Und macht dabei alles andere als eine gute Figur.
Denn egal ob es um Meuterei-Vorwürfe auf der Gorch Fock geht, um den Skandal um geöffnete Feldpost oder um einen Soldaten, der bei „Waffenspielen“ von seinem Kamerade erschossen wurde (siehe unten): Immer erfährt es die Öffentlichkeit vom Wehrbeauftragten, dem FDP-Abgeordneten Hellmut Königshaus.
So bleibt Guttenberg nichts anderes übrig, als in Pressekonferenzen den Medienberichten hinterherzuhecheln, „rückhaltlose Aufklärung“ einzufordern und personelle Konsequenzen anzudrohen. Dabei hatte er durchaus für frischen Wind bei der Bundeswehr gesorgt. Er genießt hohes Ansehen bei den Soldaten und hatte zuletzt einen engen Kontakt zu den Verteidigungspolitikern im Bundestag gehalten.
Jetzt fällt Guttenberg zurück in Handlungsmuster aus seiner Anfangszeit als Verteidigungsminister. Schon damals hatte er – in der Debatte um den Bundeswehr-Angriff auf einen Tanklaster in Kundus – peinlich herumgeeiert. Zuerst nannte er den Angriff „angemessen“, ruderte dann zurück, feuerte seinen Generalinspekteur, weil der ihm angeblich Infos vorenthalten hatte, und musste auch das später wieder zurücknehmen.
Die SPD will den CSU-Politiker jetzt vor den Verteidigungsausschuss zitieren: „Er muss die drei Vorgänge zur Chefsache machen“, sagte der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold. Vor allem im Fall des getöteten Soldaten warf er dem Verteidigungsministerium Falschinformationen vor. Tatsächlich hatte Guttenberg Ende Dezember – als die offizielle Bundeswehr-Sprachregelung noch „tragisches Unglück“ lautete – gesagt: „Selbstverständlich ist es auch eine Herzensfrage, diesen Kameraden, von dem das Unglück ausging, aufzufangen.“ Wusste Guttenberg also viel früher von den tödlichen Waffenspielen?
Auch in der CSU-Spitze ist man derzeit nicht gut zu sprechen auf Guttenberg. Als Chef der Oberfranken-CSU verteidigt der beharrlich sein Revier gegen die Stimmkreis-Pläne des bayerischen Kabinetts. Der schwarze Baron soll einen Stimmkreis abgeben, der dann Seehofers Heimat Ingolstadt zugeschlagen wird. Zur Abwehr ließ Guttenberg sogar ein eigenen Gutachten in Auftrag geben. Das stinkt den CSU-Regierungsmitgliedern. Mit Blick auf den Adeligen wird im bayerischen Kabinett gegiftet: „Bei uns wird das nicht nach Gutsherrnart gemacht.“
zo/bö
Meuterei-Vorwürfe auf dem Elite-Schiff
Es passierte auf dem Marine-Aushängeschild, der Gorch Fock: Offiziersanwärterin Sarah Seele stürzte am 7. November aus der Takelage des Dreimasters aus 27 Metern Höhe auf Deck. Seele ist schon das sechste Todesopfer an Bord der Fock.
Doch offenbar ging die Führung mit dem Unglück unsensibel um. Sie sei zur Tagesordnung übergegangen, habe am 11. November sogar Karneval gefeiert. Trauernde Kadetten seien gewungen worden, in die Takelage zu klettern – dabei ist das freiwillig. Auch Fälle von sexueller Belästigung soll es gegeben haben. Die Kadetten wehrten sich. Der Wehrbeauftragte will nicht von Meuterei sprechen – aber von „Vorwürfen in dieser Richtung“. Das Schiff drehte jetzt um, nahm gestern in Argentinien Marine-Ermittler an Bord. Die Fragen: Was ist passiert? Ist die Ausbildung noch zeitgemäß? Im Gorch-Fock-Forum im Netz mockieren sich Soldaten über „verweichlichte Kadetten“. Eltern von „Focklern“ dagegen sind besorgt: „Das sind alles Neulinge. Wo bleibt da die Verantwortung?“
Tödliche Waffenspiele
Stückchen für Stückchen kommt die Wahrheit ans Licht: Der Soldat, der im Dezember im afghanischen Außenposten Pol-i-Kumri zu Tode kam, ist vermutlich bei „Waffenspielen“ von einem Thüringer Kameraden erschossen worden. Kurz nach dem Unglück hatte die Bundeswehr mitgeteilt, der 21-jährige Hauptgefreite aus dem bayerischen Bischofswiesen sei „tot aufgefunden“ worden – sie legte also nahe, dass er sich selbst getötet hat. Lag’s daran, dass einen Tag nach dem Vorfall Bundeskanzlerin Angela Merkel das Feldlager besuchte? Sie sprach von einem „schrecklichen Unglück“ und legte eine Gedenkminute ein. Später wurde verlautbart, er sei „beim Waffenreinigen“ getötet worden. Jetzt erst, vier Wochen nach der Tat, rückt die Bundeswehr mit der Wahrheit raus. Der Wehrbeauftragte Königshaus informierte die Obleute des Verteidigungsausschusses. Fragt sich nur: Wann wusste KT zu Guttenberg Bescheid? Die Staatsanwaltschaft Gera prüft jetzt Ermittlungen gegen den mutmaßlichen Schützen.
Wer hat die Soldaten-Briefe gelesen?
"Das ist eine Unmöglichkeit“, empört sich Ulrich Kirsch, Chef des Bundeswehrverbands. „Das hat eine hohe moralische Dimension, das ist ein Straftatbestand.“ Er meint: das systematische Öffnen von Feldpostbriefen (AZ berichtete). Verteidigungsminister zu Guttenberg hat rasche Aufklärung versprochen – die Untersuchung würde „mit Hochdruck vorangetrieben“. Klar ist bis jetzt: Die geöffneten Briefe wurden ausschließlich vom Vorposten „OP North“ in der nordafghanischen Provinz Baghlan abgeschickt. Bei den Absendern soll es sich vorwiegend um Fallschirmjäger aus dem niedersächsischen Seedorf handeln. Teilweise kamen die Briefe sogar ganz ohne Inhalt zuhause bei Ehefrauen und Verwandten an. Sollten möglicherweise negative Nachrichten über die wahre Situation in Afghanistan abgeblockt werden? SPD-Verteidigungspolitiker Arnold fordert Auskunft darüber, ob es möglicherweise sogar einen Zusammenhang zwischen den Brieföffnungen und dem Tod des Soldaten in Pol-i-Kumri gibt.