Guttenberg gegen Steinbrück: Das Bierzelt-Duell

ABENSBERG - Es ist wieder soweit: Das Volksfest Gillamoos in Abensberg lässt am Montag hochrangige Politiker zu Wort kommen. Wie erwartet: Schlagabtausch und Kompetenzgerangel stehen an der Tagesordnung.
Karl-Theodor zu Guttenberg und Peer Steinbrück haben viele Gemeinsamkeiten. Sie kommen beide nicht aus dem normalen Volk. Der CSU-Bundeswirtschaftsminister ist oberfränkischer Baron, der SPD-Finanzminister entstammt dem hanseatischen Großbürgertum. Beide haben den Ruf, in der Politik ihre Meinung deutlich zu sagen – auch gegen die eigene Partei. Und beide können im Kabinett gut miteinander. Doch beim politischen Schlagabtausch am Gillamoos, einem der ältesten Bauernmärkte in Bayern, sind sie gestern zum ersten Mal als Gegenspieler gegeneinander angetreten.
Die Spielregeln sind einfach: Gleichzeitig müssen sie im Bierzelt reden, Guttenberg im Hofbräu, Steinbrück im Jungbräu – beide Zelte sind nur 100 Meter voneinander entfernt. Gewonnen hat der, der die meisten Zuhörer im Zelt hat – und während der Rede behält. Wie haben sich die beiden geschlagen? Die AZ machte den Check.
Karo-Theodor zu Guttenberg: „Wo ist die Maß?“
Bierzelt-Tauglichkeit: Natürlich zieht Guttenberg mit Defiliermarsch ein. Dann bringt der Super-Star der CSU das völlig überfüllte Hofbräu-Zelt zum Kochen. Nach seiner Rede und der Bayern-Hymne rockt er zu AC/DC ab, schwingt zum Headbanging die Bayernfahne. Da hält es nicht mal mehr die Grufties auf ihren Bänken. „Zugabe, Zugabe“, brüllt das Zelt. Und es folgt: „Highway to Hell“. Das hatte Guttenberg zuvor noch Rot-Rot-Grün gewünscht.
Outfit: Guttenberg trägt graue Nadelstreifen und Hermes-Krawatte. „Ich komme direkt aus Berlin. Der Janker und das Schilfleinen hängen in Guttenberg", sagt er zur AZ. Bis zum Ende der Rede behält er seine Jackett an.
Trinkfestigkeit: Wasser verpönt er. „Wir befinden uns doch hier nicht in einer Quelleneinhausung für Mineralwasser“, sagt er und ruft: „Wo ist die Maß?“
Rhetorik: „Im Gegensatz zu Rot-Grün steht hier ein echter Bayer“, ruft Guttenberg mit fast überschlagender Stimme in die Menge. Doch dann verfällt er schnell in sein altertümliches Geschwurbel. „Ich habe sechs Jahre Außenpolitik gemacht, da muss man sich diplomatisch ausdrücken“, rechtfertigt er sich.
Inhalt der Rede: „Wir sind noch meilenweit vom Aufschwung entfernt“, warnt er. Über Steuersenkungen, wie sie das CSU-Programm vorsieht, redet er nicht, weil er selber nicht daran glaubt. Dafür hetzt er ein bisserl gegen Ausländer – aber vornehm: „Man muss sich nicht entschuldigen für seine Werte, seine Kultur und seine Traditionen.“ Und: „Wenn man in einem Land keine Kirche bauen darf, hat dieser Staat auch in der EU nichts zu suchen.“
Hoffnungsträger-Faktor: So voll war das Hofbräu-Zelt nicht einmal bei Stoiber. Schon morgens um 8.30 Uhr, zwei Stunden vor Guttenbergs Rede, war es gerammelt voll. „Weil der was anders sagt als die andern“, erklärt Walter Neuhauser (51). Resi Bauer (71) aus Haslach findet: „Mir moana, der Guttenberg, der könnt’s als oanziger no reißn.“
Das beste Zitat: „Wenn einer schon die Kanzlerschaft anstrebt, hätte er doch den Mut haben können und auf's Gillamoos kommen können.“
Aggressivität: Ganz Aristokrat verschont er den politischen Gegner, drischt lieber auf die Pleiteunternehmen ein. Gegen Opel giftet er: „Die wollen den Staat abzocken.“ Gegen Arcandor, zu dem auch Quelle gehört: „Himmelherrgott, da kann’s doch nicht der Steuerzahler sein, der für die einspringt, die jahrelang versagt haben.“
Womanizer-Faktor: „Er hat das gewisse Etwas“, schmilzt Renate Obermayer (35) aus Mainburg dahin. „Das Aristokratische find’ ich so toll“, schwärmt Michaela Kiermeyer (25) aus Aidelsbach. Und Elisabeth Reith (67), die Hopfenbäuerin aus Haslach, bringt es auf den Punkt: „Er is hoit a gscheider Mo.“
Peer Steinbrück: „Ich verspreche euch nix. Also glaubt mir!“
Bierzelt-Tauglichkeit: Der Einzug ins Festzelt gerät etwas hölzern. Die Kapelle spielt mit Karacho den Defiliermarsch, doch das volkstümliche Winken will Hanseat Steinbrück noch nicht so recht gelingen. Er blickt an den weiß-blauen Zelthimmel: „Ihr habt ja extra die Farben von Schalke 04 aufgehängt“, witzelt er. Naja.
Outfit: Der Finanzminister trägt schwarze Nadelstreifen und Hemd ohne Krawatte. Bevor er das Podium erklimmt, legt er das Sakko ab und krempelt die Ärmel hoch. Sein Kopf ist da schon rot.
Trinkfestigkeit: Zur Rede lässt sich Steinbrück Sprudelwasser reichen, beim „Prosit der Gemütlichkeit“ verpasst er zuerst den Einsatz. Immerhin: „Mmh, das schmeckt gut, das Bier“, lobt er und nimmt einen tiefen Schluck aus der Maß. Aber mehr als eine Halbe schafft er nicht.
Rhetorik: Zuerst spricht er im Duktus des Märchenonkels: „Es ist klar, dass das Portemonnaie in der Tasche rumpelt, wenn Euch jemand Steuersenkungen verspricht“, ruft er. Später wird er schärfer: „Wollt ihr zur Eierkohle rundgelutschte Politiker oder solche, die das Kind beim Namen nennen?“
Inhalt der Rede: Er verteidigt den Rettungsschirm für die Banken: „Die SPD ist nicht der Schuhanzieher für den Spätkapitalismus, aber dieser ganze Mist kann sich wiederholen.“ Er beschwört den sozialen Zusammenhalt und ruft zum Wählen auf: „Ihr habt nicht nur ein Wahlrecht, ihr habt eine Wahlpflicht! Wenn ihr nicht wählt, nehme ich euch das stinkeübel! Dann werdet ihr bald von den Dummen regiert.“
Hoffnungsträger-Faktor: „Ich bin jetzt scho 30 Jahr bei der SPD am Gillamoos, aber so voll hab ich's noch nie erlebt“, sagt ein niederbayerischer Gewerkschafter. Linda Kober, pensionierte Lehrerin aus Kelheim, schwärmt: „Den hätte die SPD zum Kandidaten machen müssen. Nicht den farblosen Steinmeier.“ Nach der Rede gibt's Jubel und Ovationen.
Aggressivität: Nur kurz schießt Steinbrück gegen Guttenberg: „Der gewinnt nur so lange den Schönheitswettbewerb gegen mich, wie er den Mund nicht aufmacht.“ Scharf schießt er gegen Merkel, die „in der Hollywoodschaukel“ zur Wahl fahre. Noch böser fällt die Kritik gegen CSU-Chef Horst Seehofer aus: „Der ist das größte Irrlicht der Republik. Ich kann euch jetzt wie er nach dem Mund reden und Steuersenkungen versprechen. Nur, ich kann's nicht halten!“
Das beste Zitat: „Glaubt den Versprechen der anderen nicht! Ich verspreche euch nix, also glaubt mir!“
Womanizer-Faktor: Hier unterliegt Steinbrück. SPD-Landtagsabgeordnete Johanna Werner-Muggendorfer kündigt ihn zwar als den „Superstar“ an, drüben im anderen Zelt sei ja nur „der von der Boygroup, mit den gegelten Haaren“. Linda Kober findet: „Der Guttenberg sieht zwar besser aus. Aber politisch finde ich beide gleich gut.“
Angela Böhm, Annette Zoch