Gut, dass es Richter gibt
Tritt das Gericht in Konkurrenz zum Gesetzgeber? Der Vize-Chefredakteur Georg Thanscheidt über Urteile und Rolle des Verfasssungsgerichts.
Gut, dass es das Verfassungsgericht gibt. Es hat den Bürgern zum Beispiel vor 30 Jahren das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegeben, das die Regierungskoalition gerade noch mit ihrem neuen Meldegesetz mit Füßen treten wollte.
Die Verfassungsrichter stehen auf der Seite des Bürgers, wenn es darum geht, seine individuellen Grundrechte vor dem unerlaubten Zugriff des Staats zu schützen. Und es achtet darauf, dass Gesetzgeber, Verwaltung und andere Gerichte sich an die Regeln halten. Fast immer geht es dabei um Abwägungen – auch zwischen Grundrechten. Ein einfaches Dafür oder Dagegen gibt es daher für Deutschlands Top-Juristen in keinem einzigen Fall.
Ganz besonders schwierig ist aber die Abwägung, die sie nun in Sachen Euro-Rettungspaket und Fiskalpakt anstellen müssen. Sie haben dabei auch ein Legitimationsproblem: Dürfen Richter ein politisch gewolltes und demokratisch legitimiertes Projekt wie die Zustimmung zum ESM aus juristischen Gründen stoppen?
Betreiben Sie dann nicht Rechtsbildung und treten so in Konkurrenz zum Bundestag? Das hätten die Väter des Grundgesetzes nicht gewollt. Allerdings hätten die auch nicht gewollt, dass der Bundestag seine zentrale Machtposition – die Verwaltung der Steuergelder im Bundeshaushalt – durch ein europäisches Abkommen aufgibt. Inwiefern unser eher europafreundliches Grundgesetz eine Schwächung dieser Haushaltskontrolle zulässt, ist schwer zu (be)urteilen.
Gut, dass es das Verfassungsgericht gibt.
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