Guido Westerwelle: Vom Polit-Clown zum Vizekanzler

BERLIN - Er ist am Ziel seiner Träume. Jetzt muss Guido Westerwelle zeigen, ob er regieren kann. Der bemerkenswerte Wandel des FDP-Vorsitzenden.
Der große Sieger des Wahlabends legt einen Künstlerauftritt hin. Als letzter von allen Parteiführern tritt er am Wahlsonntag vor seine Fans. Und die haben sich mit „Westerwelle“-Plakaten bewaffnet. Guido Westerwelle hat seinen ganzen Hofstaat mitgebracht – alle wollen jetzt mit aufs Siegerfoto. Westerwelle nimmt seinen Lebensgefährten Michael Mronz in den Arm, lässt sich bejubeln.
Der Ober-Liberale bebt vor Wichtigkeit. Doch er versucht, nicht zu feixen. Das hat er früher gemacht. Heute will er ein Staatsmann sein. Vizekanzler wird er jetzt. Und, so sieht es aus, neuer Außenminister. „Wir wollen jetzt Deutschland mitregieren“, ruft er.
Lange Zeit war er ein Polit-Clown: 2002 bei den Bundestagswahlen ließ er sich das Wahlziel „18 Prozent“ auf die Schuhsohlen drucken. In Talkshows war er um flotte aber sinnfreie Sprüche nicht verlegen. Bei den vergangenen beiden Bundestagswahlen lief es für die Liberalen zwar einigermaßen gut – zu einer Regierungsbeteiligung reichte es aber nicht. Seit elf Jahren ist die FDP jetzt in der Opposition. Seit acht Jahren ist Westerwelle jetzt Parteichef – hätte es diesmal wieder nicht geklappt, wäre der 47-Jährige unter Druck geraten.
Warum hat die marktfreundliche FDP ausgerechnet mitten in der Finanzkrise das beste Ergebnis der Parteigeschichte erzielt? Offenbar gelten die Liberalen bei vielen als unverbraucht, weil sie solange nicht regiert haben. Außerdem hat es Westerwelle geschafft, das neoliberale Image der FDP zu verdrängen. Er gibt sich jetzt als Bildungspolitiker und Bürgerrechtler. Mit seinem Schwulsein geht er mittlerweile offen um – viele Wähler hoffen, dass er sich in der Regierung für Schwule und Lesben einsetzt und so rot-grüne Politik fortsetzt.
Die Regierungsbeteiligung mit diesem starken Wahlergebnis hat für Westerwelle zwei Auswirkungen: Zum einen kann er die Regierungspolitik der Koalition prägen und Bundeskanzlerin Angela Merkel als starker Vizekanzler unter Druck setzen. Auf der anderen Seite muss er zeigen, dass er nicht nur Sprüche machen kann.
Westerwelle wiederholt am Abend des Wahlsieges seine Forderungen: Ein faires Steuersystem soll her und bessere Bildungschancen, und die Bürgerrechte sollten „endlich wieder respektiert werden“. Er hat sich viel vorgenommen. Aber dass Steuern wirklich gesenkt werden können, daran glaubt mitten in der Finanzkrise kaum einer. Das scheint auch Westerwelle zu begreifen. Er sagt: „Wir bleiben bei allem Jubel auf dem Teppich. Wir wissen, dass die Arbeit jetzt erst losgeht.“
Volker ter Haseborg