Guantanámo: Gefangene dürfen gegen Haft klagen
Die Bush-Regierung hat eine schwere Niederlage vor Gericht erlitten. «Feindliche Kombattanten», die von den USA in bisher nahezu rechtsfreiem Raum festgehalten werden, können sich nun doch wehren.
Der Oberste Gerichtshof in Washington hat den Gefangenen auf dem US-Stützpunkt Guantanamo weitreichende Rechte gemäß der amerikanischen Verfassung zugebilligt. Nach dem Urteil vom Donnerstag können die auf Kuba einsitzenden ausländischen Terrorverdächtigen bei zivilen US-Gerichten Einspruch gegen ihre Haft einlegen.
Es war bereits das dritte Mal, dass der Supreme Court der Anti-Terror-Politik von US-Präsident George W. Bush mit Bezug auf Guantanámo eine Abfuhr erteilte. Jedes Mal hatte die US-Regierung jedoch mit Hilfe des damals noch republikanisch beherrschten Kongresses Gesetze geändert, um die bisherigen Regeln beibehalten zu können. Das Urteil fiel mit fünf gegen vier Stimmen allerdings sehr knapp aus. Für die Mehrheitsfraktion sagte Oberrichter Anthony Kennedy, die US-Gesetze und die Verfassung seien darauf ausgelegt, selbst in außergewöhnlichen Zeiten Bestand zu haben. Deshalb dürften den Guantanámo-Häftlingen keine verfassungsmäßigen Rechte vorenthalten werden.
Rüge gegen US-Regierung
Ferner wurde das System, unter dem die US-Regierung diese Männer zu feindlichen Kombattanten erklärt hat, als unangemessen gerügt. Unklar blieb zunächst, ob das Urteil unmittelbare Klagen der rund 270 Insassen nach sich ziehen würde. Diese befinden sich teilweise schon seit mehr als sechs Jahren in dem Gefangenenlager, das kurz nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eingerichtet wurde. Der konservative Oberrichter John Roberts kritisierte die Mehrheitsentscheidung. Die Inhaftierten genössen bereits weitreichenden Schutz. Unter den Häftlingen befinden sich auch fünf mutmaßliche Hauptverantwortliche der Anschläge vom 11. September. Ihnen soll nach dem Willen der US-Regierung nach einer ersten Anhörung in der vergangen Woche im September der Prozess vor einem Sondergericht gemacht werden. Welche Auswirkungen das Urteil des höchsten Gerichts auf diese und schätzungsweise bis zu 80 weiter geplante Prozesse hat, blieb zunächst unklar. (AP/dpa)