Grüne wollen ernsthaft mit Union verhandeln

Der Sondierungspoker von Union, SPD und Grünen steuert auf ein spannendes Finale zu. Vor der zweiten schwarz-grünen Verhandlungsrunde am Dienstagabend ist offen, ob die Grünen wegen zu geringer Erfolgschancen vorzeitig aussteigen.
von  dpa

Berlin - Spitzenvertreter der Partei wollten eine Koalition mit der Union trotz vorherrschender Skepsis aber nicht ausschließen. Der baden-württembergische Regierungschef Winfried Kretschmann sagte, seine Partei verhandele "offen und ernsthaft" - er gilt als Schwarz-Grün-Befürworter. Der neue Fraktionschef Anton Hofreiter sprach von einem spannenden Modell Schwarz-Grün.

Union und SPD hatten in der vorangegangenen Nacht rund acht Stunden lang zum Teil kontrovers und lautstark Chancen für eine große Koalition ausgelotet. Konkrete Ergebnisse gab es nicht. Schwarz-Grün wäre aber dennoch eine Überraschung - ungeachtet der schwarz-roten Spannungen etwa beim SPD-Kernthema Mindestlohn.

Aus der Sondierungsdelegation der Grünen hieß es vor dem Treffen mit CDU und CSU, man habe den Eindruck, dass die SPD es der Union aus internen Gründen nicht zu leicht machen wolle. Schließlich müssten die Sozialdemokraten am Sonntag vor schwarz-roten Koalitionsverhandlungen die Hürde ihres Parteikonvents nehmen.

Der grüne Spitzenkandidat im Wahlkampf, Jürgen Trittin, sagte, die Union müsse sich etwa beim Thema Mindestlohn gegenüber den Grünen mindestens genauso stark bewegen wie bei der SPD. Die Grünen-Spitze will nach der Sondierung zügig eine Empfehlung für ihren Parteitag am Wochenende aussprechen.

Vom schwarz-grünen Treffen in der Parlamentarischen Gesellschaft in der Nähe des Reichstagsgebäudes hing auch ab, ob die Union am Donnerstag zu einer dritten Runde mit der SPD zusammenkommt. Die Entscheidung darüber soll nach Angaben der Generalsekretäre von CDU und CSU, Hermann Gröhe und Alexander Dobrindt, an diesem Mittwoch fallen. CSU-Chef Horst Seehofer hält auch ein drittes Sondierungsgespräch mit den Grünen für denkbar.

In beiden Fällen - Scheitern der Sondierung mit den Grünen oder drittes Treffen mit ihnen wie mit der SPD - dürften CDU-Chefin Bundeskanzlerin Angela Merkel und Seehofer ihren Präsidien erst nach der Runde am Donnerstag eine endgültige Empfehlung für Koalitionsverhandlungen geben. Am Freitag oder Samstag würde der CDU-Vorstand dann zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um zu entscheiden. Bei der CSU steht bisher nur die reguläre Vorstandssitzung am Montag an - wahrscheinlich sind aber zuvor telefonische Absprachen.

Beim Mindestlohn prallen die Positionen von Union und SPD unverändert aufeinander. Die SPD besteht auf der gesetzlichen Einführung eines Mindestlohns von 8,50 Euro in der Stunde - die Union will weder die Höhe akzeptieren noch den Staat an der Entscheidung beteiligen. Das sei Sache der Tarifparteien von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Unionsvertreter beklagten dem Vernehmen nach, die SPD nehme nicht zur Kenntnis, dass vor allem in Ostdeutschland mit der Konkurrenz zu Osteuropa Arbeitsplätze gefährdet werden würden. Außerdem würde der Druck auf jene Branchen steigen, in denen die Bruttolöhne bereits zwischen acht und neun Euro lägen.

Die SPD-Spitze habe den gesetzlichen Mindestlohn zum Symbol für Schwarz-Rot erhoben und sich mit dem vor der Wahl geplanten SPD-Konvent zur Entscheidung über Koalitionsverhandlungen selbst unnötig unter Zugzwang gesetzt, hieß es in der Union. Deshalb seien die Gespräche darüber nun so schwierig.

Der Streit mit der SPD um die von Seehofer geforderte Pkw-Maut für Ausländer könnte dagegen entschärft werden. Hier lägen sowohl Union als auch SPD nahe an den Vorschlägen einer Bund-Länder-Kommission unter Leitung von Ex-Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD), machten beide Seiten deutlich. Demnach sollen Milliardenlücken bei der Verkehrsinfrastruktur geschlossen werden.

Dabei könnte die Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen und später auch auf Landesstraßen und für kleinere Lastwagen ausgeweitet werden. Eine Pkw-Maut für Ausländer wurde als Option genannt, die aber auf die Vereinbarkeit mit EU-Recht überprüft werden müsse. Hier bestehen große Zweifel.

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