Grüne Prognosen: Ohrfeigen durch Söder waren vorhersehbar

Nürnberg - Für die CSU fand am Samstag die wichtigste Krönung nicht in London, sondern in Nürnberg statt. Ohne Gegenstimme und Enthaltung wurde Parteichef und Ministerpräsident Markus Söder zum Spitzenkandidaten der Partei für die Landtagswahl am 8. Oktober gewählt. Zur Einstimmigkeit mag auch die Tatsache beigetragen haben, dass die Abstimmung offen erfolgte. Auf die Frage, ob er die Nominierung annehme, täuschte Söder Gerührtheit vor: "Äh - ja!"
Söder: "Bayern hat etwas Besseres als die Ampel verdient"
Zuvor hatte Söder eine 90-minütige mit minutenlangen Ovationen bedachte Rede abgeliefert und den Anschein vermittelt, als gäbe es für die CSU eigentlich nur die Grünen als Gegner. Ansonsten wurde die Berliner Ampel-Koalition nur kollektiv abgewatscht nach dem Grundsatz: "Bayern hat etwas Besseres als die Ampel verdient." Was in Berlin nicht funktioniere, "soll es in Bayern keinesfalls geben."
Angeblich hatten einige in der CSU-Zentrale befürchtet, dass die Krönung von Charles III. womöglich einige Anhänger von der eigenen Krönung in der Nürnberger Messe abhalten könnte, doch die Angst war unbegründet und die Reihen der Delegierten zum gut fünfminütigen Schlussapplaus lückenlos geschlossen.
Grüne Prognosen: Ohrfeigen durch Söder waren vorhersehbar
Die bayerischen Grünen wussten schon am Vortag, was in Nürnberg zu erwarten sein würde: "Zu 90 Prozent wird auf die Ampel eingeprügelt. Mit 50 Prozent wird vor Insektenessern gewarnt. Und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird nicht gegendert." So ganz falsch lagen die Grünen damit nicht, auch wenn von Insekten nicht die Rede war. Kaum einen Themenbereich sprach Söder ohne deftige Ohrfeigen für die Grünen.
Markus Söder attackiert Christian Lindner
Die SPD kam nur in Gestalt ihres Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach und seinen Plänen für Krankenhausreform und Drogenfreigabe vor: "Wir wollen keine Drogen für Kinder und Jugendliche, sondern lieber die Pflege ausbauen." Was die FDP in der Ampel treibe, sei "schon krass", attackierte Söder Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der in eineinhalb Jahren 400 Milliarden Euro Schulden angehäuft habe: "Das wird nicht günstiger, wenn man es Sondervermögen nennt."
Söder lästert über Freie Wähler: "Manchmal pädagogisches Geschick" nötig
155 Tage vor der Landtagswahl zog Söder nicht unerwartet eine positive Bilanz der aus CSU und Freien Wählern bestehenden "Bayern-Koalition". Fast alle Versprechen seien gehalten worden und an den verbleibenden Defiziten arbeite man weiter, versicherte Söder. Die Anmerkung, dass im Umgang mit dem Koalitionspartner "manchmal pädagogisches Geschick und viel Geduld" bleib der einzige Seitenhieb gegen die Freien Wähler.
Seine "Bayern-Koalition" sei das bodenständige Gegenmodell zur "abgehobenen und ideologischen" Berliner Ampel, appellierte Söder mehr an die Wähler als an die Parteifreunde. Und die CSU sei eine "Mitmach-Partei" im Gegensatz zur Grünen "Miesmach-Partei", ging Söder zum Angriff über.
Markus Söder will Bären leichter abschießen lassen können
Die familiären Verflechtungen im Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) sind für den CSU-Chef "nichts anderes als grüne Korruption". Den bayerischen Grünen riet Söder, das Wort vom "Filz" nicht mehr in den Mund zu nehmen. Stärker als das Bekenntnis, die "Bayern-Koalition" mit den Freien Wählern nach der Landtagswahl fortzuführen, fiel die Absage an ein Bündnis mit den Grünen im Freistaat aus: "Diese Grünen passen nicht zu Bayern. Ich sage Nein zu Schwarz-Grün. Wir wollen sie (die Grünen) nicht in der Staatsregierung." Ähnliches gelte auch für Wolf und Bär", ließ Söder wissen: "Das sind Raubtiere und die gehören nicht zu uns." Letztere müssten leichter "entnommen" werden können.
Dreieinhalb Verfassungsklagen angedroht
Berlin drohte Söder in seiner Abrechnung etwa dreieinhalb Verfassungsklagen an: Noch vor dem Sommer werde beim Bundesverfassungsgericht die Klage Bayerns gegen den Länderfinanzausgleich eingehen, kündigte Söder an. Die CSU und die bayerische Staatsregierung würden auch gegen den "einzigen Skandal" des neuen Wahlrechts verfassungsrechtlich zu Feld ziehen. Außerdem müsse "diese ungerechte Erbschaftsteuer" weg und die von Bundesgesundheitsminister Lauterbach geplante Krankenhausreform sei "nicht nur verfassungswidrig, sondern auch grundfalsch".
Zum rhetorischen Rundumschlag gehörte schließlich auch eine Übung in Bescheidenheit, die Söder problemlos von den Lippen kam. In den Jahren als Ministerpräsident sei er "hoffentlich ruhiger geworden, aber auch gelassener". Er setze mehr auf Teamarbeit "als zuvor". Und "nicht böse" meinte der CSU-Chef seine Frage nach den Spitzenkandidaten der anderen Parteien: "Wenn man jemanden nicht kennt, wieso soll man ihn dann vertrauen?"
Nach einer mit mehr oder weniger Aufmerksamkeit bedachten Runde mit CSU-Promis und solche, die es werden wollen, verabschiedeten die Delegierten nach straffer Debatte das neue Grundsatzprogramm der Partei mit dem Titel "Für ein neues Miteinander". Auch bei dieser Abstimmung gab es weder Gegenstimmen noch Enthaltungen. Um 14.06 Uhr war alles in trockenen Tüchern: Spitzenkandidat und Grundsatzprogramm.