Grüne outet sich als Wählerin von Köhler

BERLIN - Der Bundespräsident siegte glatt - auch dank der Hilfe aus anderen Fraktionen. Als erste Überläuferin ist die Grüne Silke Stokar öffentlich geworden. Sie begründet das Votum mit ihrer Abneigung gegen «parteitaktische Spielchen».
Bundespräsident Horst Köhler hat die Wiederwahl bereits im ersten Wahlgang einem Medienbericht zufolge einer Grünen-Politikerin zu verdanken. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Silke Stokar sagte dem Onlinedienst der «Süddeutschen Zeitung» am Samstag: «Ich bin seit Tagen überzeugt gewesen, dass ich im ersten Wahlgang Köhler wählen werde.» Sie sei sicher, dass auch andere Grünen- Vertreter so gehandelt hätten. Namen wollte sie nicht nennen. Die Grünen-Abgeordnete Uschi Eid hatte vor der Wahl Sympathien für Köhler wegen dessen Afrika-Politik geäußert.
Stokar sagte: «Ich wollte bei der Bundespräsidentenwahl keine Verabredungen mit der Linkspartei.» «Parteitaktische Spielchen» seien am ehesten durch einen Sieg Köhlers im ersten Wahlgang zu verhindern gewesen. An die Empfehlung der Fraktionsführung, die SPD-Kandidatin Gesine Schwan zu wählen, oder sich zumindest zu enthalten, habe sie sich nicht gebunden gefühlt.
Köhler wurde mit 613 Simmen gewählt. Dies war genau die Stimmenzahl für die im ersten Wahlgang nötige absolute Mehrheit. Das Lager von Union, FDP und Wählern verfügte über 614 Stimmen. Demnach hätte es Köhler im ersten Wahlgang nicht mit den Stimmen des bürgerlichen Lagers geschafft, sondern wurde mit Hilfe der Grünen im Amt bestätigt.
Schwan erhielt nicht alle 95 Stimmen der Grünen-Delegation. Bei den Enthaltungen seien «einige von den Grünen» dabei gewesen, sagte eine Abgeordnete der Deutschen Presse-Agentur. In der Fraktion hatte es einen Schlagabtausch zwischen Schwan und der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, gegeben, die zu den Delegierten zählte. Darin war es um Schwans Äußerung gegangen, die DDR sei für sie kein Unrechtsstaat.
Drei große Krisen
Die Grünen haben dem wiedergewählten Bundespräsidenten Horst Köhler «alles Gute, viel Kraft und auch das nötige Quäntchen Glück» gewünscht. Die Parteivorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir erklärten am Samstag in Berlin, die größte Herausforderung in Köhlers zweiter Amtszeit sei die Bekämpfung von drei großen Krisen, die nur gemeinsam bewältigt werden könnten: der Klimakrise, der Wirtschaftskrise und der sich abzeichnenden globalen Hungerkrise. Der SPD-Kandidatin Gesine Schwan dankten die Grünen für ihren «unermüdlichen Einsatz in den vergangenen Monaten» und für die von ihr angestoßenen Debatten. «Ihre Kandidatur war ein Gewinn für die Demokratie in unserem Land, durch die auch die Bedeutung der Bundespräsidentenwahl unterstrichen wurde», erklärten die Vorsitzenden der Grünen.
Direktwahl sollte kein Tabu mehr sein
Bundespräsident Köhler hat sich nach seiner Wiederwahl für eine Stärkung der direkten Demokratie in Deutschland ausgesprochen. Als mögliche Maßnahmen nannte Köhler am Samstag eine Direktwahl des Staatsoberhauptes, Volksinitiativen auf Bundesebene oder Mitspracherechte der Bürger bei Verfassungsänderungen. «Die Distanz zwischen Bürger und politischen Entscheidungsträgern ist etwas, was uns alle beschäftigen sollte», sagte der Bundespräsident in der ZDF-Sendung «Was nun?». Bestimmte Formen der direkten Demokratie könnten eine Antwort darauf sein. Dabei sollte auch die Direktwahl des Bundespräsidenten kein Tabu sein. «Damit mache ich keinen Vorschlag», betonte Köhler. «Aber das ist der Ausdruck, dass ich den Bürger ernst nehme.» In diesem Fall stelle sich sicherlich die Frage, wie sich durch eine Direktwahl des Staatsoberhauptes die «Machtstruktur zur Bundeskanzlerin» verändern würde. Außerdem seien die Erfahrungen aus der Weimarer Republik zu berücksichtigen. Dennoch halte er es für einen Ausdruck von Beklemmung oder Unsicherheit, wenn man bei dieser Frage sofort auf Hindenburg verweise, sagte Köhler. Dies sei ihm selbst passiert, als er eine Direktwahl das erste Mal zur Diskussion gestellt habe. Dies habe ihn enttäuscht; Deutschland sollte heute freier sein.
«Sie wird damit fertig»
Köhler bekundete seiner unterlegenen Herausforderin Gesine Schwan Respekt: «Auf alle Fälle finde ich, dass Gesine Schwan einen engagierten Wahlkampf gemacht hat», sagte Köhler am Samstag in Berlin, nachdem die Bundesversammlung ihn in seinem Amt bestätigt hatte. Die SPD-Kandidatin Schwan war erwartungsgemäß unterlegen. «Ich glaube, sie wird damit fertig werden. Aber meinen Respekt hat sie auf jeden Fall», sagte Köhler in der ARD. Er habe gehofft, dass er gewinne, sagte Köhler. Er hätte sich aber auch mit einem dritten Wahlgang zufrieden gegeben. Das mache schließlich eine Demokratie aus. «Jetzt ist die Entscheidung gefallen, und das ist gut.» (dpa/AP)