Grüne: Koalition nutzt Flüchtlingskrise aus

Die Grünen-Abgeordnete Britta Haßelmann spricht im AZ-Interview darüber, wie die Regierung große Krisen und Ereignisse für sich nutzt – und kritisiert die Leidenschaftslosigkeit des Bundestages
Tobias Wolf |
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Britta Haßelmann ist Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag.
Britta Haßelmann ist Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag.

AZ: Frau Haßelmann, nutzt die Große Koalition das beherrschende Thema Flüchtlinge bewusst aus, um umstrittene Gesetze durchzubringen? Britta Haßelmann: Ihr war es nicht unlieb, die Vorratsdatenspeicherung kurzfristig im Windschatten der Debatte um die Verschärfung des Asylrechts durchzuziehen. So gleiten Sachen durch, die die Zivilgesellschaft sonst erheblich beschäftigt hätten. Es gab keinerlei Anlass zur Eile.

Sie führen die viel kritisierte Vorratsdatenspeicherung auf. Gibt es weitere Beispiele? Die Freihandelsabkommen TTIP und CETA. So viele Menschen wie lange nicht sind kürzlich für eine faire Handelspolitik und Transparenz und demokratische Mitsprache in Berlin auf die Straße gegangen. Dafür, dass es eine der größten Demonstrationen der letzten Zeit war, war die Aufmerksamkeit gering. Es bleibt inakzeptabel, dass Abgeordnete bis heute keinen Zugang zu TTIP-Dokumenten haben und ich erwarte, dass wir uns als Parlament entschlossener gemeinsam einsetzen, dass das geklärt wird.

Wurden bereits in der Vergangenheit schwierige Themen im Schatten einer großen Krise durchgewunken? Sicher wurden immer wieder solche Gelegenheiten gesucht. 2012 wurde das Meldegesetz während der Fußball-EM im Bundestag verabschiedet. Das sorgte für ziemlichen Wirbel. Oder die Beratung und Verabschiedung der Reform des EEG, die geprägt war von Fehlern und Hauruckverfahren.

Was mich aber in Zeiten dieser so Großen Koalition immer wieder beschäftigt und plagt, ist die Selbstgefälligkeit und Leidenschaftslosigkeit des Parlaments insgesamt. Unser aller Aufgabe – und nicht nur die der Opposition – ist es, die Regierung zu kontrollieren. Diese Aufgabe wird von den Abgeordneten von Union und SPD nicht wahrgenommen. Ich stelle hier immer wieder eine erschreckende Regierungshörigkeit auf beiden Seiten fest.

Andere wichtige – aber auch unliebsame – Themen wie die Altersarmut oder der Klimaschutz rücken aktuell in den Hintergrund. Kommt das der Bundesregierung entgegen? Bei der Großen Koalition wird Politik viel zu oft verwaltet und ist unambitioniert. Klimaschutz ist dafür ein gutes Beispiel. Wo sind die Initiativen zum Klimaschutz ganz konkret und nicht nur in Sonntagsreden? Mit welchen ambitionierten Zielen wollen wir auf die Ende November beginnende Klimakonferenz gehen? Andere unbequeme Themen wie Fracking werden ausgesessen.

Linken und Grünen sind im Bundestag größtenteils die Hände gebunden. Oppositionsarbeit ist Kärrnerarbeit, kritisch und konstruktiv zugleich. Lamentieren ist nicht angesagt. Wir haben mit Union und SPD erfolgreich unsere Minderheitenrechte ausverhandelt. Wir lassen nicht locker in Fragen von Transparenz, Lobbyregister, Öffentlichkeit von Ausschusssitzungen.

Unspektakuläre Gesetze werden oft im Eilverfahren durchs Parlament gepeitscht. Wird dabei „geschlampt“? Nicht umsonst sind so viele Gesetze in der Vergangenheit vom Verfassungsgericht beanstandet worden. Und bei manchem Gesetz muss nachgebessert werden, kaum dass es in Kraft getreten ist. Deshalb appelliere ich immer wieder an die Große Koalition, bei Gesetzgebungsverfahren Sorgfalt vor Schnelligkeit walten zu lassen.

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