Großoffensive stößt auf wenig Taliban-Widerstand
KABUL - Großoffensive ins Leere: Bei der größten Militäroperation seit dem Sturz des Taliban-Regimes vor acht Jahren hatten die 15.000 vorrückenden Soldaten in der südafghanischen Provinz Helmand zunächst kaum Feindkontakt
Nach offiziellen Angaben gab es so gut wie keinen Widerstand der Aufständischen. Anders als früher war die am Samstag früh begonnene Offensive diesmal tagelang angekündigt worden, um Zivilisten zu warnen - damit konnten aber auch die Talibankämpfer in der Region untertauchen. «Die Operation verläuft erfolgreich», sagte der Sprecher der Provinzregierung, Daoud Ahmadi, am Sonntag. Der britische Militärsprecher Gordon Messenger sagte in London, die ersten Hauptziele wie die Sicherung von Brücken und Straßen seien erreicht. Es habe nur «minimale Störungen» durch die Taliban gegeben. Die Aufständischen seien unfähig zu einer koordinierten Gegenwehr. Es sei nur zu «sporadischen Gefechten» gekommen.
Ahmadi sagte am Sonntag, seit Beginn der Operation «Muschtarak» («Gemeinsam») am Vortag seien mindestens 27 Taliban-Kämpfer getötet worden. Am ersten Tag der Großoffensive waren zwei Angehörige der Internationalen Schutztruppe ISAF gestorben. Ein britischer Soldat wurde getötet, als er bei einer Patrouille in eine Sprengfalle geriet. Ein US-Marineinfanterist starb in einem Feuergefecht. Die afghanische Armee, die den Großteil der Truppen stellt, meldete zunächst keine Opfer unter ihren Soldaten. Die Regierung in Kabul geht davon aus, dass sich immer noch mehrere hundert Taliban-Kämpfer im Kampfgebiet befinden, das sich auf die Distrikte Mardscha und Nad Ali erstreckt.
Taliban-Sprecher Kari Jussif Ahmadi sagte am Sonntag, die Aufständischen hätten ihre Stellungen nicht aufgegeben. Den afghanischen und ausländischen Truppen sei es nicht gelungen, in die Distrikt-Hauptstadt Mardscha einzudringen. Brigadegeneral Lawrence Nicholson sprach laut «Washington Post» von «einigen ziemlich harten Kämpfen». Die ISAF teilte mit, Soldaten hätten in den Distrikten Mardscha und Nad Ali Versammlungen mit Stammesältesten abgehalten, sogenannte Schuras. In beiden Distrikten hätten Soldaten Material zum Bombenbau und Waffenverstecke aufgespürt.
Die ausländischen und afghanischen Truppen wollen in Afghanistan eine militärische Wende erzwingen. 15 000 Soldaten sind seit Samstagmorgen auf dem Vormarsch, um die radikal-islamischen Aufständischen aus ihren Hochburgen in Mardscha und Nad Ali in der Provinz Helmand zu vertreiben. Bei einem Anschlag in Südafghanistan starben am Samstag drei US-Soldaten, die nach Angaben der ISAF aber nicht an der Offensive teilnahmen.
Nach Beginn der Großoffensive hatte Präsident Hamid Karsai die afghanischen Taliban-Kämpfer aufgerufen, die Gelegenheit zu nutzen, um der Gewalt abzuschwören und sich in die Gesellschaft einzugliedern. Karsai forderte von den Truppen, bei der Offensive vorsichtig vorzugehen und die Zivilbevölkerung zu schützen. Die Streitkräfte müssten Luftangriffe vermeiden, wenn Zivilisten dadurch gefährdet werden könnten. Anders als bei früheren Offensiven, wo die Truppen nach Ende der Offensive wieder abzogen, soll die Bevölkerung diesmal nach dem Ende der Operation nicht wieder alleingelassen werden.
Die größten Kontingente der ausländischen Truppen bei der Operation «Muschtarak» stellen Amerikaner und Briten. Außerdem nehmen Soldaten aus Kanada, Dänemark, Estland und Frankreich teil. Offiziell führen die Afghanen das Kommando.
Präsident Barack Obama hatte für dieses Jahr eine massive Eskalation des seit Ende 2001 andauernden Krieges angekündigt und rund 30 000 zusätzliche US-Truppen in Marsch gesetzt, um die wieder erstarkten Taliban zu besiegen. Der NATO-Oberkommandierende General Stanley McChrystal, der eine neue Strategie entwickelt hatte, wollte Obama am Sonntag über die Offensive unterrichten, hieß es bei CNN. (dpa)
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