Großer Zapfenstreich: Köhler kriegt den Blues

BERLIN - Er kam noch mal, lächelte sein Köhler-Lächeln und ließ sich feiern. Der zurückgetretene Bundespräsident verabschiedet sich von seinen Mitarbeitern,gönnt sich den großen Zapfenstreich und lässt weiter über seine Motive rätseln.
Der zurückgetretene Bundespräsident Horst Köhler hat sich am Dienstag von seinen ehemaligen Mitarbeitern im Berliner Schloss Bellevue verabschiedet. Köhler bedankte sich in einer kurzen Ansprache „für die wunderbare Unterstützung in den vergangenen sechs Jahren“. Die Mitarbeiter dankten mit Applaus.
Es sei ihm ein „Herzensanliegen“ gewesen, allen Mitarbeitern „die Hand reichen zu können“. Zum Abschied erhielt jeder der 130 ein offizielles Bild Köhlers mit Dank und persönlicher Widmung.
Am Abend sollte Köhler rund zwei Wochen nach seinem überraschenden Rücktritt mit einem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr aus dem höchsten Staatsamt verabschiedet werden. Zu der Zeremonie im Park von Schloss Bellevue wurden auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle erwartet.
Der Große Zapfenstreich ist das höchste Zeremoniell der Bundeswehr. Dabei handelt es sich um eine feierliche Abendmusik, zu der neben Spielmannszug und Musikkorps zwei Züge Soldaten unter Gewehr sowie Fackelträger antreten. Köhler entschied sich für den „Marsch der Elisabether“ von Johann Strauß, einen Marsch aus der Zeit Friedrich des Großen sowie den „St. Louis Blues“.
Von Köhlers Amtszeit wird nach Einschätzung seines Biografen Gerd Langguth wenig in Erinnerung bleiben. Er sei kein guter Redner gewesen, sagte der Politikwissenschaftler. Köhler habe immer wieder versucht zu verbergen, dass er ein unsicherer Mensch sei. Dies sei aber in Gesprächen mit seinen Mitarbeitern sehr stark zum Vorschein getreten. Trotz seiner Beliebtheit im Volk habe es Köhler an unmittelbarer Erfahrung mit dem Volk gefehlt, da er niemals als Mandatsträger um dessen Stimmen gerungen habe.
„Er war kein Mann, der die Politik sehr gut kannte“, sagte Langguth. Er habe auch keine Brücken zwischen Volk und Politik geschlagen. „Es war zwischen ihm und der politischen Klasse, vor allem in Berlin, so eine Art unsichtbare Wand gewesen. Er hat ja immer von ,den Politikern’ gesprochen und hat sich gar nicht mit den Politikern identifiziert. Deswegen fehlte ihm zum Schluss alles Verständnis.“ Der Politikwissenschaftler sagte weiter: „Bei ihm hat sich auch sehr viel Frustrationspotenzial angesammelt, und deswegen hat er irgendwann die Prügel hingeschmissen.“
Mit Blick auf die beiden Kandidaten für die Nachfolge des Bundespräsidenten lobte Langguth Joachim Gauck als „vorzüglichen Redner“ und „Menschenfänger“. Langguth sagte: „Er ist eben ein gelernter ostdeutscher Pastor, der die ganze Macht der rhetorischen Kraft hat, und so etwas braucht natürlich ein Bundespräsident.“ Wichtig sei in dem Amt vor allem die Macht des Wortes, betonte der Politologe. Auch Christian Wulff sei in der Lage, als Redner eine vernünftige Vorstellung zu geben. „Aber Gauck ist natürlich eine Ausnahmeerscheinung.“
Köhler war unter Beschuss gekommen und zurückgetreten, als er den Einsatz der Bundeswehr auch zur Sicherung von Handelswegen nicht ausgeschlossen hatte. Die Opposition hatte Köhler scharf kritisierst, die Regierungsparteien betreten geschwiegen. „Köhler hat sich missverständlich geäußert“, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin dazu. ,„Meine Kritik war zugespitzt, ein Rücktrittsgrund war sie nicht.“