Große Koalition: Großes Mikado

Die Kraft für Großprojekte ist da, aber gibt es auch den Willen? Der AZ-Chefreporter Matthias Maus über den Start der Koalition in Berlin.
Sie kommt auf Krücken. Er trägt ihr die Akten, ganz Gentleman. Man hilft sich. Ein Bild von Symbolwert aus der ersten Kabinettssitzung? Fraglich. Bisher erscheint die große Koalition eher wie eine Versammlung von Egoisten als eine Gemeinschaft kooperationswilliger Teamplayer. Und es steht nicht gut um die Chancen, dass sich das ändert.
Die CSU machte als kleinster Partner den Anfang als Störenfried. Das Thema Armutszuwanderung eignet sich vorzüglich zur Stimmungsmache auf Kosten der Ärmsten. Das ist durchtrieben, aber effektiv. Auf der Tagesordnung der wichtigsten Themen des Landes steht das sicher nicht. Schon eher das Thema Energiewende. Bei diesem Jahrhundertprojekt schaut die ganze Welt der Industriemacht Deutschland zu.
Doch hier spielen die Verantwortlichen Mikado: Wer sich zuerst bewegt, verliert. Diese Erfahrung machte gerade Bayerns Wirtschaftsministerin Aigner, die von ihrem Chef Seehofer gleich zurückgepfiffen wurde. Und der zuständige Fachminister Gabriel hält sich fein zurück und labt sich am PR-Gau der CSU. Dabei wäre es interessant zu wissen, was der Vizekanzler von der Idee hält. Oder von der Affäre Pofalla, zum Beispiel.
Energie, Datensicherheit, Familienpolitik – es gibt viel zu tun, das wichtiger ist als Positionsspiele. Die große Koalition hätte die Kraft, Großprojekte anzupacken. Aber hat sie auch den Willen? Unter dieser Kanzlerin, einer Pragmatikerin und Technikerin der Macht, wachsen bislang nur die Zweifel.