"Größtmögliche Transparenz": Wulffs Stellungnahme

Nach seinem umstrittenen Fernsehinterview stellte Wulffs Anwalt am Donnerstag eine sechsseitige Stellungnahme ins Netz.
von  dapd
„Ich möchte nicht Präsident in einem Land sein, wo sich jemand
von Freunden kein Geld mehr leihen kann.“
„Ich möchte nicht Präsident in einem Land sein, wo sich jemand von Freunden kein Geld mehr leihen kann.“ © dpa

Nach seinem umstrittenen Fernsehinterview stellte Wulffs Anwalt am Donnerstag eine sechsseitige Stellungnahme ins Netz.

Berlin/ Kreuth - Mittwochabend gab Bundespräsident Christian Wulff ein Fernsehinterview in eigener Sache zu seiner Hauskredit- und Medien-Affäre. Laut Senderangaben sahen es mehr als elf Millionen Zuschauer. Am Donnerstag nun hat sein Anwalt Gernot Lehr eine sechsseitige Stellungnahme zu den gegen seinen Mandanten erhobenen Vorwürfen veröffentlicht. Seine Kanzlei habe inzwischen etwa 450 Fragen einzelner Medienvertreter beantwortet, schrieb Lehr am Donnerstag in Berlin. Jetzt würden Antworten auf immer wieder gestellte Fragen und Themenkomplexe zusammengefasst, heißt es in der Publikation.

„Unser Mandant strebt bei der Beantwortung dieser Fragen größtmögliche Transparenz an, soweit diese Sachverhalte betreffen, die in Beziehung zu seinen öffentlichen Ämtern stehen“, versichert die Kanzlei. Sie räumt ein, dass „aufgrund des verständlichen Zeitdrucks“ die Antworten teilweise noch ergänzungs- oder korrekturbedürftig sein könnten. „Sollte dies erforderlich sein, werden wir unseren Bericht aktualisieren.“ (Hier geht's zur Stellungnahme: www.redeker.de)

Opposition sieht weiterhin Aufklärungsbedarf

Mit seinem Interview hat Wulff  nicht alle überzeugt. Während die schwarz-gelbe Koalition ihn mit Erleichterung aufgenommen hat, sehen SPD, Linke und Grüne weiteren Aufklärungsbedarf. Im Interview bei ARD und ZDF räumte Wulff Fehler und Versäumnisse ein. So sei der Drohanruf bei „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann „ein schwerer Fehler“ gewesen.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel forderte Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, dessen Eignung für das höchste Staatsamt zu überprüfen. „Das ist keine Causa Wulff mehr, das ist eine Causa Merkel.“ Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Hubertus Heil sagte: „Es bleiben Fragen offen, die aufgeklärt werden müssen.“

SPD-Innenexperte Edathy hält das Fernsehinterview von Bundespräsident Christian Wulff für einen „stark von Selbstgerechtigkeit“ geprägten Auftritt. Der Präsident stelle sich als Opfer dar, sagte Edathy am Donnerstag dem Fernsehsender N24. „Man hat ja fast den Eindruck, man müsste Amnesty International einschalten und auffordern, sich für Herrn Wulff einzusetzen.“ Es seien jedoch noch viele Fragen offen, sagte Edathy. Wulff behaupte zum Beispiel, er habe nicht gegen Gesetze verstoßen. Dies bleibe allerdings noch zu klären.

Auch die Grünen bezweifeln, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der Erklärung Wulffs zufrieden sein könne. Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke sagte: „Wir erwarten, dass sie dazu Stellung nimmt.“

Die Freien Wähler ließen verlauten, sie würden bei einer erneuten Bundespräsidentenwahl wieder auf den DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck setzen. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger sagte der „Frankfurter Rundschau“: „Wir haben beim letzten Mal Joachim Gauck gewählt. Und wir würden auch wieder für Gauck stimmen, wenn er anträte.“ Aiwanger verzichtete aber auf eine Rücktrittsforderung gegen Wulff. Der Präsident sei zwar sehr ungeschickt. „Aber eine Rücktrittsforderung finde ich trotzdem übertrieben“, sagte Aiwanger.

Aufatmen in der Union

Bei den Regierungsparteien Union und FDP hingegen überwog nach dem Interview Erleichterung. „Ich bin sicher, dass Christian Wulff damit erfolgreich Vertrauen in der Bevölkerung zurückgewinnen wird“, erklärte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Aus der FDP hieß es, es sei gut, dass Wulff zu den Vorwürfen Stellung genommen und Fehler eingeräumt habe. „Das war ein wichtiger Schritt“, sagte der designierte FDP-Generalsekretär Patrick Döring. Der FDP-Fraktionsvorsitzende im schleswig-holsteinischen Landtag, Wolfgang Kubicki, äußerte, Wulff habe die „Sache“ aus der Welt geschafft.

Die CSU sieht Bundespräsident Christian Wulff nach seinem TV-Auftritt sogar gestärkt. Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte am Donnerstag dem Nachrichtensender N24, Wulff habe viel zur Aufklärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe getan. „Und diese Erklärung hilft auch, dass er Vertrauen zurückgewinnt in der Bevölkerung.“ Auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt zeigte sich zufrieden. Der Bundespräsident habe in dem Interview ausführlich Stellung genommen und auch „sein Bedauern über so manches Fehlverhalten zum Ausdruck gebracht“. Sie habe „Vertrauen in den Bundespräsidenten und in seine Amtsführung“, sagte sie N24.

Zweifel an Wulffs Darstellung

Die „Bild“-Zeitung widersprach Wulffs Aussage, er habe mit seinem Anruf bei Chefredakteur Kai Diekmann eine Berichterstattung zu seiner Hausfinanzierung nicht verhindern wollen. Der Leiter des „Bild“-Hauptstadtbüros, Nikolaus Blome, sagte im Deutschlandfunk, das Ziel von Wulffs Anruf bei Diekmann sei ganz klar gewesen, die Berichterstattung zu unterbinden. Wulff hatte im Interview gesagt, er habe lediglich darum gebeten, mit dem Bericht einen Tag zu warten. 

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vor dem Interview erklären lassen, dass sie Wulffs Arbeit nach wie vor schätze. Sie vertraue auf umfassende Antworten Wulffs. Der Bundespräsident hatte ungeachtet des verheerenden Medienechos auf seine Affären einen Rücktritt abgelehnt.  

Die „Bild“-Zeitung hatte vor drei Wochen zuerst über die Umstände des Hauskredits im Wert von einer halben Million Euro berichtet. Der Präsident muss sich gegen Vorwürfe wehren, beim Kauf eines Eigenheimes als Ministerpräsident die genauen Umstände der Kreditaufnahme verschwiegen zu haben. Im Interview wies er den Vorwurf zurück, er informiere die Öffentlichkeit per Salami-Taktik. Wullf kündigte an, dass die Antworten seiner Anwälte auf etwa 400 Anfragen von Journalisten an diesem Donnerstag im Detail im Internet veröffentlicht würden.

Nach dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend meinen nur noch 47 Prozent, dass Wulff im Amt bleiben kann. Damit verlor das Staatsoberhaupt seit Wochenbeginn kontinuierlich an Zustimmung: Am Montag hatten sich noch 63 Prozent der Befragten für einen Verbleib Wulffs im Amt ausgesprochen, 34 Prozent für einen Rücktritt. Am Dienstag waren es nur noch 53 Prozent, die an Wulff als Bundespräsident festhielten, 44 sprachen sich hingegen für seinen Rücktritt aus. Die letzte Befragung am Mittwoch fand allerdings noch vor der Ausstrahlung des Wulff-Interviews statt.


 

 

 

 

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