Griechischer Minister warnt vor "großem Knall"
Frankfurt/Athen - Angesichts immer drastischerer Kürzungen und einer verschärften Rezession "wird die wichtigste Frage dieses Landes bald dem Erhalt des sozialen Friedens gelten", sagte der Minister der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Die europäische Subventionspolitik trägt seiner Ansicht nach eine Mitschuld an der Misere Athens. "Während wir mit der einen Hand das Geld der EU nahmen, haben wir nicht mit der anderen Hand in neue und wettbewerbsfähige Technologien investiert. Alles ging in den Konsum", so Chrysochoidis. Das Ergebnis sei gewesen, dass jene, die etwas produzierten, ihre Betriebe geschlossen und Importfirmen gegründet hätten. Denn damit habe sich mehr verdienen lassen. "Das ist das eigentliche Desaster dieses Landes", konstatierte der Minister. Zugleich habe es aber auch Fehler der politischen Führung gegeben: "Über zwei Jahrzehnte hinweg haben wir unsere Produktionsbasis, unsere Industrie und damit unsere Exportmöglichkeiten zerstört."
Mit Blick auf Investitionen aus dem Ausland gab sich der Minister für die nahe Zukunft skeptisch: Solange die Verhandlungen Athens über neue Milliardenhilfen und die Gespräche über einen Forderungsverzicht der privaten Gläubiger nicht abgeschlossen seien, "wird niemand in Griechenland investieren".
Nach Ansicht der EU-Kommission darf beim neuen Hilfspaket für Griechenland keine weitere Zeit verloren gehen. "Wir arbeiten gegen die Zeit", sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn am Donnerstag in Brüssel. Die Euro-Finanzminister wollen am Abend bei einem Sondertreffen über das zweite Hilfspaket für Griechenland beraten, das einen Umfang von mindestens 130 Milliarden Euro haben soll.
Der Zeitdruck ergebe sich auch deswegen, weil der Schuldenschnitt der Privatgläubiger wie Banken und Versicherungen mehrere Wochen in Anspruch nehmen werde, sagte der Sprecher. Der Schuldenschnitt gehört zu dem zweiten Hilfsprogramm dazu und soll helfen, den Schuldenstand Griechenlands bis zum Ende des Jahrzehnts auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken.
Die Kommission nahm nicht zu Fragen Stellung, ob das bisher in Athen verhandelte Sparpaket ausreicht, um die neuen Hilfen zu billigen. "Das müssen die Ministerberatungen ergeben", sagte der Sprecher. Es gebe beim Abendtreffen "genug Stoff zu diskutieren".
Die "Troika" mit Vertretern der Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) habe ihre Arbeit in Athen vorerst eingestellt - die jeweiligen Missionschefs berichteten nun an Rehn, EZB-Präsident Mario Draghi und IWF-Chefin Christine Lagarde. Die Troika hatte noch in der Nacht mit der griechischen Regierung verhandelt.
Die Kommission nahm keine Stellung zu Informationen aus Athen, wonach die Troika den Griechen 15 Tage Zeit einräumt, das strittige Thema der Rentenkürzungen zu regeln. "Von einer solchen Ausweitung weiß ich nichts", sagte der Rehn-Sprecher.
Die Bundesregierung fordert von Griechenland verbindliche und rasche Zusagen zum umstrittenen Sparprogramm. "Griechenland muss handeln, und Europa wartet auf griechische Entscheidungen", sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium, Steffen Kampeter (CDU), am Donnerstag in Berlin im Bundestag. "Der Fortschritt in den letzten Wochen auf griechischer Seite war unzureichend."
Aus Athen wurde bis zum frühen Donnerstagnachmittag noch keine vollständige Einigung auf das von den internationalen Geldgebern geforderte gesamte Sparpaket gemeldet. Die griechischen Parteispitzen konnten sich bisher noch nicht auf alle von den EU-Partnern und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) verlangten Einschnitte verständigen. Die Kürzung der Zusatzrenten blieb umstritten. Am Donnerstagabend wollten die Euro-Finanzminister beraten.
Kampeter sagte mit Blick auf das Treffen der Euro-Gruppe am Abend, die Minister bewerteten die Erkenntnisse der "Troika"-Kontrolleure aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und IWF sowie die Verhandlungen über den angestrebten Schuldenerlass durch private Gläubiger. "Gegebenenfalls wird es auch zu Beschlüssen im Rahmen der Finanzminister kommen", sagte Kampeter weiter.
Es seien aber noch nicht alle Fragen von Griechenland beantwortet worden. So sei offen, wie die Finanzierungslücke im laufenden Haushaltsjahr geschlossen werden solle. Auch sei unklar, ob den Ankündigungen aus Athen konkretes Handeln folge. Die Frage sei zudem, wie die politischen Parteien zu den Verabredungen stehen und ob sie von einer breiten Mehrheit getragen werden. "Ohne die Antworten aus Griechenland kann Europa nicht handeln."