Grass wehrt sich und warnt vor drittem Weltkrieg
Mit seinem Israel-Gedicht sorgt Günter Grass weltweit für Schlagzeilen und Kritik. Jetzt äußert sich der Autor dazu - und vermutet einen medialen Feldzug gegen ihn.
Berlin/Hamburg - Kampagne, Gleichschaltung, Klischees: Mit starken Worten wehrt sich Literaturnobelpreisträger Günter Grass (84) gegen die Empörung über seine Israel-Kritik. Er habe mit seinem Gedicht "Was gesagt werden muss" dazu aufrufen wollen, dass sowohl Israel als auch Iran ihre Atomanlagen internationaler Kontrolle unterwerfen sollten, sagte Grass der Nachrichtenagentur dpa in seinem Wohnort Behlendorf bei Lübeck am Donnerstag. Sollte Israel - vermutlich mit konventionellen Bomben und Sprengköpfen - Irans Atomanlagen angreifen, könnte das zum Dritten Weltkrieg führen, warnte Grass.
In Interviews anderer Medien sprach er von einer Kampagne. "Der Tenor durchgehend ist, sich bloß nicht auf den Inhalt des Gedichtes einlassen, sondern eine Kampagne gegen mich zu führen und zu behaupten, mein Ruf sei für alle Zeit geschädigt", sagte er in einem NDR-Interview am Donnerstag. "Widerrufen werde ich auf keinen Fall", sagte er dem TV-Magazin "Kulturzeit" (3sat).
Im dpa-Gespräch verwies der 84-jährige Schriftsteller auf die explosive Lage im Nahen Osten, die sich bei einem Präventivschlag Israels zu einem Flächenbrand ausweiten könne. Präventivschläge seien nicht vertretbar. Dies habe sich beim letzten Irakkrieg gezeigt, bei dem unter dem nachweislich falschen Vorwurf, Saddam Hussein besitze Massenvernichtungswaffen, der Krieg begonnen worden sei. Bei Iran sei bisher keine Atombombe oder ein weitreichendes Raketenträgersystem nachgewiesen worden.
Als Fehler bezeichnetes es der Autor, dass in seinem Gedicht von Israel und nicht konkret von Israels Regierung die Rede sei. Er hege große Sympathien für das Land und wünsche, dass es auch in Zukunft Bestand habe. Zur Kritik sagte Grass im NDR: "Es werden alte Klischees bemüht. Und es ist zum Teil ja auch verletzend. Es wird sofort, was ja auch zu vermuten war, mit dem Begriff Antisemitismus gearbeitet." Er fügte hinzu: "Es ist mir aufgefallen, dass in einem demokratischen Land, in dem Pressefreiheit herrscht, eine gewisse Gleichschaltung der Meinung im Vordergrund steht und eine Weigerung, auf den Inhalt, die Fragestellungen, die ich hier anführe, überhaupt einzugehen."
In seinem Gedicht hatte Grass geschrieben: "Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden." Gleichzeitig warf er sich darin vor, zu lange darüber geschwiegen zu haben. Der Text löste heftige Reaktionen aus. Kritiker sprachen von einem "Dokument der Rache" sowie Ausdruck eines "politisch korrekten Antisemitismus". Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagierte mit scharfen Worten auf das Gedicht von Grass. "Die schändliche Gleichstellung Israels mit dem Iran, einem Regime, das den Holocaust leugnet und damit droht, Israel zu vernichten, sagt wenig über Israel, aber viel über Herrn Grass aus", hieß es in einer Mitteilung seines Büros.