Gräueltaten in Homs: 28 Kinder massakriert
Seit einem Jahr kämpfen die Syrer gegen Präsident Baschar al-Assad. Dessen Vorgehen gegen die Rebellen wird immer brutaler: Jetzt sollen Dutzende Zivilisten, darunter Frauen und Kinder getötet worden sein. Mitglieder des Regimes bringen angeblich ihre Familien außer Landes.
Damaskus/Istanbul – In der syrischen Widerstandshochburg Homs haben die Truppen von Präsident Baschar al-Assad nach Informationen von Aktivisten 57 Zivilisten massakriert. Die Regime zeigten am Montag Videoaufnahmen von Kindern und Frauen, die in dem Viertel Karam al-Seitun mit Messern getötet worden sein sollen. Weitere 24 Menschen sollen am Wochenende bei der Flucht aus der Stadt Idlib getötet worden sein.
Einige der Kinder in Homs seien erwürgt worden, hieß es. Die Leichen seien am Sonntagabend gefunden worden. Insgesamt starben den Angaben zufolge 28 Kinder, 23 Frauen und 6 Männer. Ein Arzt aus Homs, den der Nachrichtensender Al-Arabija am Montag interviewte, berichtete außerdem von zahlreichen Vergewaltigungen.
Der Arzt sagte, es fehle an medizinischen Hilfsmitteln, um Dutzende Verletzte zu behandeln. Die syrische Opposition rief er auf, endlich mehr Einigkeit zu zeigen. Erst dann werde sich die internationale Gemeinschaft zu einem entschlossenen Vorgehen gegen die Menschenrechtsverletzungen des Assad-Regimes durchringen, sagte er. Andernfalls drohe ein Völkermord wie einst in Ruanda.
Weitere 24 Zivilisten sollen nach Angaben der Opposition in der Nacht zu Montag getötet worden sein, als sie versuchten, die Stadt Idlib zu verlassen. In einem Dorf im Bezirk Dschabal al-Sawija (Provinz Idlib) seien am Sonntagabend 35 Zivilisten „als Geiseln genommen worden“. Die Regierungstruppen hätten damit gedroht, das Dorf Ain Laros erneut anzugreifen, wenn sich die Bewohner des Bezirks weigern sollten, Deserteure auszuliefern, die sich dort versteckt haben sollen. Von unabhängiger Seite sind derartige Berichte nur schwer zu überprüfen, weil Syrien keine freie Berichterstattung der Presse erlaubt.
Das regimekritische unabhängige syrische Nachrichtenportal „All4Syria“ meldete unterdessen, mehrere hochrangige Funktionäre aus dem Sicherheitsapparat und Beschäftigte des staatlichen Fernsehens hätten ihre Familie in den vergangenen Wochen ins Ausland geschickt. Um nicht aufzufallen, hätten sie bei den Behörden um Ausreisegenehmigungen, „zum Zweck der medizinischen Behandlung“ ersucht. Einige der Funktionäre hätten Bestechungsgelder bezahlt, um die Ausreise ihrer Angehörigen sicherzustellen. Regierungsbeamte, die sich der Revolution angeschlossen haben, hatten zuvor berichtet, für Funktionsträger sei eine Ausreisesperre verhängt worden.
Trauriges Jubiläum: Ein Jahr blutige Unruhen in Syrien
Seit einem Jahr demonstrieren Syrer gegen Präsident Baschar al-Assad. Das brutale Vorgehen des Regimes gegen die Opposition hat Tausende Menschen das Leben gekostet. Ein Rückblick:
18. März 2011: Ermutigt von den Aufständen in anderen arabischen Ländern demonstrieren in Damaskus und weiteren syrischen Städten tausende Menschen. Es gibt erste Tote. Im April hebt Assad trotzdem den seit 48 Jahren geltenden Ausnahmezustand auf.
22. April: Mehr als 100 000 Menschen gehen auf die Straße. Das Regime antwortet mit Gewalt. Mindestens 112 Demonstranten werden getötet.
23. Mai: Die EU verhängt ein Einreiseverbot gegen Assad.
31. Juli: Das Regime erobert die Widerstandshochburg Hama. Laut Opposition sterben mindestens 100 Menschen. Die Stadt war bereits 1982 nach Protesten Schauplatz eines Massakers gewesen, bei dem über 10 000 Menschen getötet wurden.
2. Oktober: Die syrische Opposition bildet in Istanbul einen Nationalrat.
19. Dezember: Die UN-Vollversammlung weist Syrien mit großer Mehrheit zurecht. Zuvor hatte die Arabische Liga Wirtschaftssanktionen gegen Assads Regime verhängt.
22. Dezember: Die ersten Beobachter der Arabischen Liga treffen in Syrien ein. Das Assad-Regime hatte die Mission aufgrund internationalen Drucks akzeptiert. Am 28. Januar stoppt die Liga den Einsatz ihrer Beobachter wegen der Eskalation der Gewalt.
4. Februar: Russland und China blockieren mit ihrem Veto erneut eine Syrien-Resolution im Weltsicherheitsrat. Nur wenige Stunden vor der Abstimmung wird aus der Protesthochburg Homs das schlimmste Blutbad seit Beginn der Proteste gemeldet. Hunderte Menschen sterben.
7. Februar: Bei einem Besuch in Syrien zeigt Russlands Außenminister Sergej Lawrow Verständnis für das Vorgehen des Assad-Regimes.
13. Februar: Empört weist das Regime den Vorschlag der Arabischen Liga zurück, UN-Friedenstruppen nach Syrien zu schicken. Kurz darauf nennt Assad den 26. Februar als Termin für ein Verfassungsreferendum.
Die neue Verfassung tritt am 28. Februar in Kraft, nach offiziellen Angaben gab es 89 Prozent Zustimmung. Die Baath-Partei verzichtet damit auf ihre Vormachtstellung, an Assads Macht ändert das nichts.
16. Februar: Die UN-Vollversammlung verurteilt die Gewalt des syrischen Regimes mit großer Mehrheit. Assad bleibt unbeeindruckt.
24. Februar: Die Vereinten Nationen und die Arabische Liga ernennen den früheren UN-Generalsekretär und Friedensnobelpreisträger Kofi Annan zum gemeinsamen Sondergesandten für die Syrien-Krise.
25. Februar: In Tunis gründen mehr als 60 Staaten die „Freundesgruppe“ für ein demokratisches Syrien. Russland und China bleiben fern.
27. Februar: Die EU-Staaten einigen sich auf ein Bündel von Maßnahmen gegen das Regime. Unter anderem wird das gesamte Vermögen der syrischen Nationalbank in der EU eingefroren.
1. März: Die Lage in Syriens Oppositionshochburg Homs spitzt sich weiter zu. Nach wochenlangem Dauerbeschuss rücken Assads Truppen vor und stürmen das Viertel Baba Amro. Der UN-Menschenrechtsrat verurteilt die Angriffe auf Zivilisten und droht mit strafrechtlichen Konsequenzen. Russland, China und Kuba lehnen die Resolution ab.
5. März: Die UN-Nothilfekoordinatorin Valerie Amos reist nach Damaskus. Zuvor hatte die Führung tagelang die Einreise verweigert.
8. März: Ranghohe Funktionäre wenden sich von Assad ab. Auf der Internet-Plattform YouTube erklärt der Vize-Ölminister Abdo Hossam al-Din seine Unterstützung für den Aufstand gegen das Regime.
10./11. März: Kofi Annan setzt sich bei Treffen mit Assad in Damaskus für ein Ende der Gewalt ein. Doch das Blutvergießen geht weiter.
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