Glücklose Sozis: Mister Farblos ist der große Verlierer

Trotz Opel, Arcandor und Co.: Frank-Walter Steinmeier und seine Sozialdemokraten stecken in der Krise – wie auch die Genossen in ganz Europa. Eine AZ-Analyse.
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Muss das miese Wahlergebnis verteidigen: Frank-Walter Steinmeier
dpa Muss das miese Wahlergebnis verteidigen: Frank-Walter Steinmeier

Trotz Opel, Arcandor und Co.: Frank-Walter Steinmeier und seine Sozialdemokraten stecken in der Krise – wie auch die Genossen in ganz Europa. Eine AZ-Analyse.

Eigentlich hatte er mit mehr Stimmen gerechnet. Jetzt muss er das schlechteste bundesweite Wahlergebnis in der Nachkriegsgeschichte der SPD erklären – Frank-Walter Steinmeier ist zerknirscht: "Es ist ein enttäuschendes Wahlergebnis, da gibt es nichts drumherum zu reden." Parteichef Franz Müntefering, der versprochen hatte, dass die Balken der Roten "steil nach oben" gehen würden, murmelte was von "jetzt erst recht". Nicht nur in Deutschland verloren die Sozialdemokraten, sondern europaweit. Die AZ erklärt, warum die Sozialdemokratie im Superwahljahr in der Krise steckt.

Warum laufen den Sozialdemokraten europaweit die Wähler weg? Die Sozis haben sich von ihren Wählern entkoppelt: "Sozialdemokraten sind Akademiker, die eine eigene Kaste für sich bilden", sagt der Göttinger Parteienforscher Franz Walter zur AZ. "Die Entkoppelung ist so weit vorangeschritten, dass sich die untere Bevölkerungsschicht nicht von den Sozialdemokraten mobilisieren lässt." Hinzu kommen landesspezifische Gründe: In Großbritannien wurde die Labour-Partei für die Spesen-Skandale bestraft. Vor allem Sozis, die regieren, bekamen Denkzettel: in Österreich, den Niederlanden, Bulgarien und Rumänien.

Warum erreicht die SPD die Wähler nicht mehr? Die SPD kam 1998 mit einem Wahlprogramm von Lafontaine an die Macht. "Schröder hat dann mit seiner Agenda genau das Gegenteil gemacht", sagt Franz Walter. "Und die SPD macht geschlossen alles mit. Die Partei hat so an sozialmoralischer Verlässlichkeit verloren."

Warum kann die SPD nicht von der Opel-Rettung profitieren? Weil die meisten Wähler die Rettung skeptisch bewerten. "Vor allem die bürgerlichen Schichten fürchten, dass sich der Staat mit solchen Eingriffen ruiniert", sagt Walter.

Welche Schuld hat Steinmeier an der Wahlschlappe? Walter zufolge ist Steinmeier nicht glaubwürdig: "Er hat die Agenda-Politik erfunden. Wenn er nun von der Fesselung des Kapitalismus redet, fragen sich die Wähler, warum er das nicht in sieben Jahren Rot-Grün gemacht hat."

Ist er zu langweilig? "Es käme auf eine farbige Gestalt an, die auch Überraschendes macht", so Walter. "Insofern ist er eine gigantische Fehlbesetzung."

Was bedeutet das Wahlergebnis für die Bundestagswahlen? Franz Walter zufolge sieht es nicht gut aus: "Die Sozialdemokraten glauben, dass sie die Wahlkämpfe von 2002 und 2005 kopieren können, indem sie sich auf ihre Gegner einschießen. Doch Frau Merkel ist eine harmlose präsidiale Frau, die nicht zum Gegner taugt. Guttenberg taugt auch nicht zum Feindbild, weil die Wähler offenbar seiner Meinung sind. Und mit der FDP, die sie im Europawahlkampf als Finanzhaie beschimpfte, will die SPD eine Ampelkoalition eingehen. Man fragt sich, ob die Sozialdemokraten noch alle bei Verstand sind."

Volker ter Haseborg

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