Gipfel in Zeiten der Krise

DAVOS - Alles anders in Davos: Kleinlaute Eliten und die neue Dominanz der Politik - die Weltwirtschaft im Sanatorium.
Das Ende der Selbstgefälligkeit: Dieses Jahr in Davos ist alles anders. Nicht die Wirtschaftsführer geben den Ton beim Weltwirtschaftsforum an, sondern die von ihnen lange belächelten Politiker – ohne deren staatliche Geldspritzen wäre das alte Finanzsystem bereits zusammengebrochen. Und das Motto des Gipfeltreffens von 43 Regierungschefs, 39 Finanzministern, 19 Zentralbankern und 2500 Top-Firmenchefs, das gestern in dem Schweizer Ski-Ort begonnen hat, ist durchaus ehrgeizig: „Shaping the post-crisis world“ – Die Welt nach der Krise gestalten.
Die Gästeliste hat sich ein bisschen neu sortiert: keine Glamour-Stars mehr wie früher Angelina Jolie oder Bono – Davos 2009 ist bewusst als nüchternes Arbeitstreffen in Zeiten der Krise inszeniert. Auch andere frühere Stammgäste vor allem aus der Bankenbranche fehlen – weil sie nicht mehr im Amt sind.
"Wir müssen unsere Art zu denken überprüfen"
Bei den verbliebenen hat sich das Machtverhältnis deutlich verschoben. „2009: Die Rückkehr zur Staatsmacht“, heißt eine der Arbeitssitzungen. In der Tat ist das der Tenor des Gipfels: Die Politik, die mit Milliarden-Paketen taumelnde Firmen vorläufig vor dem Absturz gerettet hat, soll nun auch bei der Schaffung einer neuen Finanzordnung die Führungsrolle übernehmen. „Nach vielen fetten und glücklichen Jahren erlebte die Wirtschafts-Elite, dass ihre Macht und ihr Ansehen ebenso schnell schwanden wie die Werte und Konzepte, für die sie standen“, schreibt die „Herald Tribune“.
„Was wir erleben, ist die Geburt einer neuen Ära, eines Weckrufs, damit wir unsere Institutionen überprüfen, unsere Systeme, vor allem aber unsere Art zu denken“, sagt der Gründer des Weltwirtschaftsforums, der deutsche Professor Klaus Schwab. Der Strukturwandel werde ein völlig neues System schaffen. Schwab erinnert an den Roman „Zauberberg“ von Thomas Mann, der Davos so berühmt gemacht hat – als Ort für Kranke. „Wir sehen den Gipfel als Sanatorium für die Weltwirtschaft an“, sagt er. „Wenn sie von der Intensivstation kommen, können die Patienten im Sanatorium zur alten Stärke zurückfinden.“
In dieser Krise sitzen alle in einem Boot
Ein wichtiger Player allerdings fehlt in Davos: die neue US-Regierung, die momentan noch genug damit zu tun hat, ins Amt zu finden. Obama schickt nur seine Beraterin Valerie Jarrett. Dafür kommt die alte Garde wie Bill Clinton und Al Gore. Die Eröffnung gehörte gestern denn auch eher den östlichen Mächten: dem Russen Wladimir Putin und dem Chinesen Wen Jiabao. Doch deutlich wurde auch: In dieser Krise sitzen alle in einem Boot.
Besonders zuversichtlich sind die Topmanager allerdings nicht: Nach einer zum Auftakt veröffentlichten weltweiten Studie denken nur 21 Prozent der Wirtschaftselite, dass es binnen zwölf Monaten aufwärts geht. Und nur ein Drittel glaubt dies von den nächsten drei Jahren. tan
Wer alles kommt
Die Teilnehmerzahl ist so hoch wie noch nie – trotz der saftigen Eintrittspreise: 12 000 Euro aufwärts für Manager, zuzüglich 28 000 Euro jährliche Mitgliedergebühr. An Regierungschefs kommen unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel, Gordon Brown und Taro Aso (Japan), an Firmenchefs Bill Gates, Rupert Murdoch und Lakshmi Mittal, aus Deutschland die Vorsitzenden der Deutschen Bank, der Post, von Siemens, VW, BASF, RWE, Eon, Telekom, Metro, Hochtief, Thyssen, Bayer – und außerdem FDP-Chef Guido Westerwelle. Die insgesamt gut 2500 Teilnehmer aus 96 Staaten werden von 5000 Soldaten und tausenden weiteren Sicherheitskräften geschützt.
Einst und Jetzt
Was Teilnehmer in Davos 2008 sagten – und was heute: - Alexej Kudrin, russischer Finanzminister: „Russland wird dank seiner Öl- und Gaseinnahmen bald der Himmel der Stabilität sein.“ (2008) „Ich kann mich an kein schlimmeres Jahr erinnern seit 1945.“ (2009) - Nouriel Roubini, US-Wirtschaftsprofessor: „Die Frage ist nicht, ob wir hart oder weich landen werden. Die Frage ist, wie hart.“ (2008) „Das Bankensystem ist bankrott. Insolvent.“ (2009). - Angel Gurria, Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit: „Wir brauchen keine Regulierung und Überprüfung der Finanzmärkte. Erfindet nicht noch mehr Bürokratie.“ (2008) „Jetzt sagen die Politiker, wo’s langgeht.“ (2009). - Fred Bergsten, Direktor des Internationalen Wirtschaftsinstituts: „Es ist unvorstellbar, wiederhole: unvorstellbar, dass es eine weltweite Rezession gibt.“ (2008). „Die Krise wurde größer, als ich dachte.“ (2009).