Gibt es ein Recht aufs gesunde Kind?

Drei Stunden lang debattieren die Abgeordneten über die umstrittene Zulassung der Präimplantations-Diagnostik. Knappe Mehrheit für die Zulassung.
Berlin - Es war eine besondere Debatte, gestern im Bundestag: Es gab keine hämischen Zwischenrufe, kein Gelächter, kein Geklopfe auf die Tische. Drei Stunden lang debattierten die Abgeordneten zum Teil emotional berührt über ein ernstes Thema: die Präimplantationsdiagnostik (PID).
Drei Gesetzentwürfe liegen dem Bundestag vor, in drei Fraktionen teilen sich auch die Meinungen: Eine will das komplette Verbot der embryonalen Gen-Untersuchungen außerhalb des Mutterleibs (unten). Eine will die PID verbieten, mit wenigen Ausnahmen. Und eine ist für eine Zulassung der umstrittenen Methode, allerdings unter strengen Auflagen.
Der Fraktionszwang wurde aufgehoben, weil es hier um eine reine Gewissensentscheidung gehen soll. Und so bildeten sich seltsame, nie gekannte fraktionsübergreifende Grenzen: Der schwule Grüne Volker Beck ist gemeinsam mit dem erzkonservativen CSUler Johannes Singhammer für ein Verbot der PID.
Carola Reimann von der SPD, Ulrike Flach von der FDP und der Ex-Pfarrer Peter Hintze von der CDU wollen die Diagnosemethode dagegen in sehr engen Grenzen erlauben. Die PID-Befürworter argumentierten, dass mit dieser Methode Leid für Eltern und Kind verhindert werden könne: Erblich schwer vorbelastete Paare sollten ebenfalls ein Recht auf Kinder haben, sagte Hintze. Das geböten „das Grundgesetz und die Nächstenliebe”.
Der Knackpunkt: PID ist derzeit noch verboten, die Diagnostik bei der bereits Schwangeren aber erlaubt. „Betroffene Eltern verstehen nicht, dass die PID verboten werden soll, wenn Abtreibungen und sogar Spätabtreibungen erlaubt sind”, sagte CDU-Politikerin Ursula Heinen-Esser.
Die Gegner dagegen fürchten einen Dammbruch und einen ersten Schritt hin zu „Designer-Babys”: Die Grünen-Politikerin und Präses der Evangelischen Kirche in Deutschland, Katrin Göring-Eckardt, sagte: „PDI wendet nicht Leid von Eltern und Kind ab, sie wendet einfach das Kind ab.”
CDU-Politikerin Julia Klöckner berichtet von Gesprächen mit Behinderten. „Sie haben mir gesagt, sie wären nicht am Leben, hätte es vor ihrer Geburt die PID gegeben.” Außerdem fürchtet sie, dass der soziale Druck auf Frauen steigen werde, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen. „Es gibt kein Recht auf ein gesundes Kind”, sagte der selbst körperbehinderte Linken-Politiker Ilja Seifert.
Eine Entscheidung gab es gestern noch nicht. Knapp 180 der 620 Abgeordneten haben noch bei keinem der drei Entwürfe unterschrieben. Die meisten Unterstützer, insgesamt 215, zählt bisher die Initiative zur Zulassung – dicht gefolgt von der pro Verbot.
Untersuchung außerhalb des Mutterleibs
Bei der so genannten Präimplantationsdiagnostik testen Mediziner bei einem künstlich erzeugten Embryonen außerhalb des Mutterleibs, ob dieser Erbkrankheiten oder Chromosomendefekte hat. Zeigt sich eine Krankheit, wird der Embryo nicht in den Mutterleib eingesetzt, sondern vernichtet. Die pränatale Diagnostik geschieht bei einer bestehenden Schwangerschaft, der Mutter wird eine Probe von Fruchtwasser oder Mutterkuchen entnommen und die darin enthaltenen embryonalen Zellen auf Gendefekte untersucht. Wird dann ein Defekt entdeckt, ist ein Schwangerschaftsabbruch möglich. Das ist absurd, sagen Befürworter der PID. Abtreibungen sind erlaubt, mit PID müsste es sie aber gar nicht erst geben.