„Gewalt ist eine Sackgasse“

An der Universität in Kairo verspricht der US-Präsident einen „Neuanfang“ und schont dabei weder Iran noch Israel.
Der Ort war ehrwürdig, die Stimmung ausgelassen. Mit Jubel wie beim Popkonzert feierten die Studenten der Kairo Universität Barack Obama. Der hatte eine große Rede an die islamische Welt angekündigt, und er hat sein Versprechen gehalten.
„Salam aleikum“, begrüßte der US-Präsident die Würdenträger im Plenum und die 300 Jahrgangsbesten auf den Rängen der Aula. Er wolle „im zeitlosen Kairo einen Neuanfang“ im Verhältnis zur islamischen Welt versuchen. Von Irans Atomlust bis Israels Siedlungspolitik, von Frauenrechten bis zu diktatorischen Regimes in der Region: Obama sprach alle Themen an.
„Sei Gott gewärtig und spreche immer nur die Wahrheit“, zitierte Obama, selbst Sohn eines Moslems, den Koran. Das wolle er tun, versprach er unter dem Jubel seines wohlgesinnten Publikums.
„Der Islam hat in seiner Geschichte Toleranz demonstriert und Gleichheit.“ Islam und Innovation seien keine Gegensätze. Von der Algebra bis zur Navigation reiche das Erbe, das die Welt dem islamischen Kulturkreis verdanke.
Es blieb nicht bei Schmeicheleien. Extremisten, die die Feindschaft zwischen Islam und dem Westen predigten, seien in der Minderheit, und er werde sie bekämpfen: „Das ist meine Pflicht als amerikanischer Präsident. Er erinnerte daran: „Die meisten Opfer des Extremismus sind Moslems.“
Fast eine Stunde redete Obama, und in dieser Phase war es am ruhigsten im Auditorium. Erst als Obama die Rolle der USA selbstkritischer beschrieb, kam wieder Leben in den ehrwürdigen Rahmen: Die USA hätten es sich „nicht ausgesucht, nach Afghanistan zu gehen“, aber im Irak seien Fehler gemacht worden,, und man habe gesehen, dass „Diplomatie der bessere Weg“ sei. „Gewalt ist eine Sackgasse.“ Obama bezog sich auf die Geschichte der Schwarzen in den USA, die ebenso wie die Schwarzen in Südafrika oder die Demokratiebewegungen in Ost-Europa ihre Unterdrückung gewaltlos beendet hätten.
„Das Band zu Israel ist unzerstörbar“, sagte der Präsident: „Aber die USA werden das Recht des palästinensischen Volkes auf seine Würde, seine Chancengleichheit und seinen eigenen Staat nie verleugnen.“ Ein klares Bekenntnis zur Zweistaaten-Lösung, nicht nach dem Geschmack der israelischen Regierung. Israel müsse seine Siedlungspolitik ändern. Neue Töne auch Richtung Hamas. Wenn die Terrororganisation das Existenzrecht Israels akzeptiere, könne sie „eine Rolle im Friedensprozess spielen.
Erstmals benannte ein US-Präsident die Rolle der USA beim Putsch des Schah im Iran. Ebenso habe aber der Iran eine Rolle bei Geiselnahmen und Terrorismus. „Aber wir dürfen uns nicht von der Geschichte gefangen halten lassen“, meinte Obama. Iran habe das Recht auf friedliche Nutzung der Atomenergie, keinesfalls dürfe es aber neues Wettrüsten mit einem atomar bewaffneten Iran geben
Überall auf der Welt wollten die Menschen „Redefreiheit, Rechtsstaat und eine Regierung, die sie nicht bestiehlt“ Heikle Aussage in einer Region voller korrupter Regimes mit Pressezensur. Die Studenten dankten mit Jubel auch für die Bemerkungen zur Rolle der Frauen. Erfolgreich seien die Länder, in denen es gleiche Rechte gebe und Bildung für Mädchen wie Jungen: „Unsere Töchter können genau so zum Wohlstand beitragen wie unsere Söhne“.
Koran, Bibel und Talmud priesen den Frieden, sagte Obama. Und die Jungen, sagte er mit Blick auf die Tribüne, hätten die „Fähigkeit, die Welt in diesem Sinne neu zu schaffen.“ Verhalten positiv waren die Reaktionen aus der arabischen Welt. Selbst die Hamas sah „viele positive Punkte“. Allerdings, hieß es unisono, müssten den Worten Taten folgen. Kritischer war die Reaktion aus Israel: „Die Rede hätte schlimmer sein können“, sagte ein Sprecher.
Matthias Maus