Geteilte Freude über Müntes Comeback

Der «Erlöser» soll er nicht sein, aber «ein bisschen Frohsinn» verbreiten - das wäre schon gut. Die bevorstehende Rückkehr Franz Münteferings spaltet seine Partei und wirft eine grundsätzliche Frage auf: Wohin mit ihm?
Der frühere Vizekanzler Franz Müntefering ist am Dienstag nicht zur ersten Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin gekommen. Der 68-Jährige werde sich erst im September wieder in die parlamentarische Arbeit einschalten, berichtete Fraktionschef Peter Struck vor der Sitzung im Reichstag.
Zur künftigen Rolle des Ex-Parteichefs sagte Struck: «Franz wird sich in die Arbeit der Fraktion so einbringen, wie er das für richtig hält.» Müntefering bleibe als ehemaliger Vizekanzler, Minister und Fraktionsvorsitzender ein besonderes Fraktionsmitglied, sagte Struck. «Wir werden seinen Rat auf jeden Fall gebrauchen.» Im übrigen finde er die nun angestoßene Debatte «etwas absurd». Er verwies darauf, dass Münteferings Frau erst kürzlich gestorben ist. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse warnte die SPD davor, ihren früheren Vorsitzenden Müntefering mit einer «geradezu gigantischen Erlöser-Erwartung» zu überfordern. Den «Stuttgarter Nachrichten» sagte er, es sei gut, wenn die SPD zeige, dass sie einen Kanzlerkandidaten und gutes anderes Führungspersonal habe. Das sei besser, «als einen einzigen Erlöser zu präsentieren, von dem dann alles abhängt und alles erwartet wird». Die SPD müsse damit beschäftigt bleiben, dass sie als linke Volkspartei kenntlich bleibe; «als Partei der sozialen Gerechtigkeit schlechthin».
«Von seiner Erfahrung profitieren»
Der Berliner SPD-Landesvorsitzende Michael Müller sprach sich für eine stärkere Rolle Münteferings aus. «Wir würden uns Freude, wenn Franz Müntefering nach dem schweren Schicksalsschlag eine stärkere Rolle in der SPD spielen würde. Wir Berliner haben immer hervorragend mit ihm zusammengearbeitet. Von seiner politischen Erfahrung können wir alle profitieren gerade auch im Wahlkampf», sagte Müller dem Portal «Morgenpost Online». Der rechte Flügel innerhalb der SPD erhofft sich von einer Rückkehr des ehemaligen Parteichefs Franz Müntefering in die Bundespolitik einen erhöhten Wählerzuspruch. Der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, sagte der in Chemnitz erscheinenden «Freien Presse», Müntefering könne dazu beitragen, «dass wir enttäuschte und frustrierte Wähler zurückgewinnen». Kahrs fuhr fort, er glaube, dass Münteferings Rückkehr dabei helfe, «die jetzigen Umfragewerte zu stabilisieren und Zuversicht und ein bisschen Frohsinn zu verbreiten». Jede Partei tue gut daran, wenn sie die Erfahrenen einbeziehe. Kahrs fügte an: «Wir würden uns Freude, wenn er zurückkommt und sich bereit erklärt, in einer verantwortlichen Rolle mitzuarbeiten. Wir halten ihn für wichtig.» Nach Kahrs' Worten vermag es der einstige SPD-Chef zugleich, die beiden Parteiflügel zusammenzuführen. Sein Wiedereinstieg sei «von allen gleichermaßen begrüßt worden, sowohl vom linken Flügel als auch von uns».
Als Berater herzlich willkommen
Die SPD-Führung hatte Müntefering am Vortag für die Zeit nach seiner Rückkehr ins politische Tagesgeschäft noch keine konkrete Rolle zugeordnet. «Jede unterstützende und beratende Tätigkeit ist bei uns herzlich willkommen», sagte SPD-Chef Kurt Beck. Es sei «ehrenwert, wenn man mit 68 gebeten wird, seine Erfahrung einzubringen», fügte er hinzu. Müntefering hatte sich am Wochenende erstmals nach dem Tod seiner Frau wieder öffentlich an der Seite von SPD-Spitzenpolitikern gezeigt. Fest steht bislang nur, dass der frühere Parteichef zumindest im politischen Tagesgeschäft wieder stärker mitwirken will. Schon am 3. September ist ein Wahlkampfauftritt in München geplant. Voraussichtlich im Oktober will Müntefering dann ein Buch mit dem Arbeitstitel «Blick nach vorn» auf den Markt bringen. (AP)