Gesundheit: Rösler will Prämie für Gutverdiener
BERLIN - Philipp Rösler plant ein neues Gesundheitssystem: Eine Pauschale soll die bisherigen Beiträge ablösen: Die Verlierer sind die, die wenig verdienen. Die AZ rechnet vor, wer wie viel zahlt
Was denn nun? Der FDP-Gesundheitsminister kündigt immer neue visionäre Konzepte an und wird sofort von der CSU eingefangen: Die Gesundheitsreform ist eine der größten Baustellen der Regierung. Und die wichtigste für die 70 Millionen gesetzlich Versicherten – denn sie spüren jede Änderung in ihrem Geldbeutel. Die AZ versucht zu erklären, was eigentlich geplant wird.
Was ist die „halbe Pauschale“?
Ob man sie nun „Prämie“, „Pauschale“ oder „einkommensunabhängige Komponente“ nennt – das Prinzip ist klar: Der Arbeitgeberbeitrag soll bei aktuell 7,0 Prozent eingefroren werden. Der Arbeitnehmer überweist bisher 7,9 Prozent seines Bruttogehalts an den Fonds – und dies soll eben in einen Fixbetrag umgewandelt werden, egal, ob man 500 oder 3500 Euro verdient.
Wie hoch wäre dann meine Pauschale?
Der BKK-Verband Bayern hat für die AZ auf Basis der GKV-Schätzerzahlen für 2009 ausgerechnet, dass sie bei 144 Euro liegen müsste (aktuelle Ausgaben minus Arbeitgeberanteil geteilt durch Versicherte). Die AOK Schleswig-Holstein nennt eine Zahl von 140 Euro, der Gesundheitsexperte Jürgen Wasem spricht von 100 bis 110 Euro. Auf die niedrigeren Werte kommt man, wenn man auch für mitversicherte Kinder eine eigene Pauschale erhebt (dann laut BKK 105 Euro) oder für mitversicherte Ehepartner (dann 120 Euro). Einen Kinderbeitrag schließt Schwarz-Gelb aus, über einen Ehepartner-Beitrag wird nachgedacht.
Gewinne oder verliere ich?
Die Grenze liegt exakt bei einem Brutto-Monatsverdienst von 1823 Euro: Wer mehr verdient, profitiert. Wer weniger verdient, muss mehr zahlen als bisher. Einige Beispiele: Ein Gutverdiener (Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze von 3675 Euro) zahlt jetzt 290,33 Euro an die Kasse. Künftig wären es 144: Er spart Monat für Monat 147,33 Euro. Bei einem Einkommen von 2000 Euro sind es 14. Dagegen die Verlierer: Ein Rentner mit 500 Euro Altersgeld zahlt jetzt 39,50 Euro. Die Pauschale würde ihn zusätzlich 104,50 Euro im Monat kosten – ein Fünftel seiner Rente. Niedrigverdiener mit 1000 Euro brutto zahlen 65 Euro mehr als bisher, kleine Angestellte mit 1500 Euro Einkommen immerhin noch 25,50 Euro im Monat.
Was kann sonst noch kommen?
Bisher sind Ehepartner mitversichert – wird für sie eine eigene Pauschale fällig, wird es für den Niedrigverdiener noch teurer. Beispiel 1000 Euro Einkommen: Bisher zahlt das Paar zusammen 79 Euro, künftig 240 Euro – wäre eine Belastung von 161 Euro. Auch der Angestellte mit 1500 Euro und seine Frau zahlen dann 121,50 Euro mehr. Dieses – gepaart mit den Entlastungen für Gutverdiener – wäre sozial derart ungerecht, „dass wir zur nächsten Wahl gar nicht mehr erst antreten brauchen“, sagt Karl-Josef Laumann (CDU).
Was bedeutet Steuerausgleich?
Um die Ungerechtigkeit abzumildern, sollen Niedrigverdiener einen Ausgleich aus Steuermitteln bekommen. Aber, so Stefan Etgeton, Gesundheitsexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen: „Egal, wo die Grenze genau gelegt wird, ab wann man einen sozialen Ausgleich bekommt: Wer knapp drüber liegt, ist immer benachteiligt.“
Und wer zahlt das?
Die große Frage ist, woher die Mittel für den Steuerausgleich kommen sollen: 2005 hatte die Union schon einmal die Idee einer Pauschale in Höhe von 109 Euro. Damals wurden die Kosten auf 24 Milliarden beziffert, zu finanzieren durch höhere Steuern. Doch jetzt sollen die Steuern sogar gesenkt werden. Das heißt, die Gutverdiener, die sich jetzt über Entlastungen freuen, müssen später über höhere Steuern doch wieder zahlen. Außerdem ist im Gespräch, dass die Pauschale nur noch Basis-Leistungen (etwa über Festzuschüsse) abdeckt: Für eine solide Versorgung müssten Zusatzversicherungen abgeschlossen werden – also Zwei-Klassen-Medizin.
Und wenn man einfach so weitermacht?
Auch ohne einen Systemwechsel fehlt dem Fonds Geld, nicht zuletzt wegen der Krise. Das Münchner IfG-Institut rechnet mit einem Beitrag von 17 Prozent bis 2013. Wird der Arbeitgeberbetrag eingefroren, wären das bis zu 77 Euro im Monat mehr. Immerhin: Im Mai sind Wahlen in NRW. Bis dahin wird es keine Grausamkeiten geben.
Anja Timmermann
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