Gestänker über den Stinker

BERLIN Ein neuer Steinbrück-Aufreger elektrisiert das politische Berlin: Der Kanzlerkandidat der SPD hat auf dem Cover des „SZ Magazins“ den Stinkefinger gezeigt (AZ berichtete). Das Foto ist Teil der Interview-Serie „Sagen Sie jetzt nichts“, bei denen Promis nur mit Gesten auf die ihnen gestellten Fragen antworten dürfen. Den Finger zeigte Steinbrück auf die Frage: „Pannen-Peer, Problem-Peer, Peerlusconi – um nette Spitznamen müssen Sie sich keine Sorgen machen, oder?“
Der Fingerzeig ist jetzt eine Steilvorlage für den politischen Gegner. „Das kann doch wohl nicht der Stil eines Bundeskanzlers sein“, twittert FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr. Parteikollege Philipp Rösler legt nach: „Die Geste verbietet sich als Kanzlerkandidat.“ „Ein deutscher Bundeskanzler ist nicht Bushido“, sagt CDU-Vize Armin Laschet. Allerdings sind die Mitglieder der schwarz-gelben Bundesregierung selbst auch nicht immer mit besonders guter politischer Kultur aufgefallen: Sie bezeichneten sich wechselseitig als „Gurkentruppe“ oder „Rumpelstilzchen“. Überliefert ist auch das Zitat: „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen“ (Ronald Pofalla über Wolfgang Bosbach).
Auch die Grünen distanzierten sich von Steinbrück: „Meine Form wäre das nicht“, sagte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. Kommunikationstrainer Stefan Lermer glaubt, die Geste könne Steinbrück Stimmen kosten.
"Ist mir lieber als Merkels Inhaltsleere"
Es gibt aber auch Unterstützung. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier findet: „Die Ironie ist im Bild klar erkennbar.“ „Mir ist so ein Klartext lieber als Merkels Inhaltsleere“, twittert Piraten-Politikerin Julia Probst. Natürlich hat „@peersfinger“ auch einen eigenen Twitter-Account.
Steinbrück befindet sich in mehr oder weniger guter Gesellschaft. Musiker wie Robbie Williams oder Motörhead-Sänger Lemmy Kilmister zeigen den Finger recht regelmäßig. Auch bei Madonna und Lady Gaga sitzt er locker – und der Finger von Johnny Cash, aufgenommen 1969 bei einem Gig im San Quentin Staatsgefängnis, hat es sogar auf T-Shirts geschafft. Fußballer Stefan Effenberg verlieh der Geste kurzzeitig seinen Namen: Während der WM 1994 in den USA ließ er sich von Zuschauern provozieren und zeigte „den Effe“. Dafür warf ihn Bundestrainer Berti Vogts aus der Nationalelf.
Hätte Steinbrück die Geste übrigens zum Beispiel im Straßenverkehr gemacht, hätte dies den Tatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB erfüllt. Und hätte er den Finger im Job gezeigt, hätte er nach § 626 Abs. 1 BGB die fristlose Kündigung riskiert. Aber wie würde wohl Steinbrück selbst sagen: „Hätte, hätte, Fahrradkette“. Immerhin: Riesige öffentliche Aufmerksamkeit ist ihm gewiss. Sogar die australische Zeitung „Sydney Morning Herald“ berichtet über „The Stink over the Stinkefinger“.