Generation Krise: Bayerns Jugend-Arbeitslosigkeit steigt um 44 Prozent!

Die Finanzkrise trifft die 15- bis 25-Jährigen besonders hart. Auf dem Arbeitsmarkt bekommen sie befristete Verträge und stehen als erste auf der Abschussliste. Eine Besserung ist nicht in Sicht.
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Jung, gut ausgebildet, arbeitslos: Michael Seifert (20).
Christian Plößl Jung, gut ausgebildet, arbeitslos: Michael Seifert (20).

MÜNCHEN - Die Finanzkrise trifft die 15- bis 25-Jährigen besonders hart. Auf dem Arbeitsmarkt bekommen sie befristete Verträge und stehen als erste auf der Abschussliste. Eine Besserung ist nicht in Sicht.

Michael Seifert ist jung, gut ausgebildet – und arbeitslos. Koch hat er gelernt. „Wegen der wirtschaftlichen Lage wurde mir gekündigt“, sagt der 20-jährige Münchner. Er wechselte den Job – und verlor ihn bereits in der Probezeit. Angeblich, weil er zu oft krank war. „Ich war ein einziges Mal krank und hatte mich auch krank gemeldet. Gefeuert wurde ich trotzdem“, sagt Seifert. Unter einem Vorwand.

Konstantin Haiders Karriere ist ähnlich: Er wollte Elektriker lernen, bekam keinen Ausbildungsplatz. „Dann habe ich angefangen, in einem Lager zu arbeiten, um Geld zu verdienen“, sagt der 17-Jährige. Dort wurde ihm nach eineinhalb Jahren gekündigt. Wegen der Wirtschaftskrise.

Eine halbe Million Jugendlicher ist arbeitslos in Deutschland

Die Geschichten von Michael Seifert und Konstantin Haider zeigen das Dilemma der Generation im Alter von 15 bis 25 Jahren: Die Finanzkrise trifft sie besonders hart. Das wurde auch gestern deutlich, als die Bundesagentur für Arbeit die neue Arbeitsmarktstatistik vorstellte. Die Wirtschaftskrise hat die Arbeitslosenzahl auf 3,472 Millionen ansteigen lassen – 276 000 mehr als im Vorjahr. Angesichts der Finanzkrise ist das noch moderat.

Anders sieht es bei Jugendlichen aus: Die Arbeitslosigkeit stieg von August 2008 bis August 2009 in Bayern um 44 Prozent, in München um mehr als 27 Prozent. In Bayern sind 47386 junge Menschen im Alter zwischen 15 und 25 ohne Job, in München sind es 6322. Bundesweit sind fast eine halbe Million Jugendliche arbeitslos – 17 Prozent mehr als vor einem Jahr.

„Es trifft vor allem die jungen Männer, weil sie überproportional im verarbeitenden Gewerbe beschäftigt sind“, sagt Lutz Bellmann vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zur AZ. „In der Automobilbranche, dem Maschinenbau- und Chemiesektor ist der Exporteinbruch besonders stark zu spüren.“

Befristete Verträge, schlechte Übernahme-Chancen

Junge Menschen treffen schlechte Arbeitsbedingungen vor, kritisiert Bellmann. „Die Arbeitsverträge sind oft befristet. Und wenn der Vertrag ausläuft, wird oft nicht verlängert“, sagt er. Viele Jugendliche machen eine Ausbildung und werden anschließend nicht übernommen.

Zudem kündigen die Betriebe meist nach Sozialplan: Wer lange im Unternehmen ist, verheiratet ist und Kinder hat, kann bleiben. „Ein Grund dafür ist auch, dass Firmen für ältere Arbeitnehmer weitaus höhere Abfindungen zahlen müssen“, sagt Bellmann.

Die Folgen sind dramatisch. Da sind zum einen die Auswirkungen auf die Psyche der Jugendlichen: „Es ist dramatisch für die jungen Menschen, weil sie den Übergang von der Ausbildung in die Beschäftigung noch kaum vollzogen haben und schon wieder arbeitslos sind. Die Zwangspause hat einen starken demotivierenden Effekt“, sagt Bellmann.

Und die Aussichten für die Zukunft? In dem Bericht der Münchner Arbeitsagentur heißt es: „Wegen der fehlenden Berufserfahrung wird es für viele Jugendliche nicht einfach, direkt eine neue Stelle zu finden.“ Und auch Arbeitsmarkt-Forscher Bellmann sieht für die Zukunft schwarz: „Es passt in die Landschaft nicht rein, Einstellungen vorzunehmen. Wer jetzt arbeitslos wird, bekommt nur schwer einen neuen Job.“

Die Jugendzeitschrift „Neon“ hat für die aktuelle Ausgabe eine Umfrage unter Jugendlichen in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: Fast 60 Prozent bezeichnen die Stimmung im Land als ängstlich und pessimistisch. Die jungen Deutschen beklagen Leistungsdruck und Konkurrenzdruck. Zwei Drittel empfinden das deutsche Wirtschaftssystem als ungerecht.

Volker ter Haseborg, Christian Plößl

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