General: Bundeswehr muss sich von der Wehrmachtstradition lösen

Dürfen Soldaten heute noch auf Wehrmachtshelden wie Generalfeldmarschall Rommel stolz sein? Dürfen Kasernen der Bundeswehr noch nach diesen Offizieren benannt sein? Der oberste Soldat des Landeskommandos Bayern setzt auf den neuen Traditionserlass.
Bernward Loheide, dpa |
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Die Kaserne in Dornstadt ist heute noch nach Hitlers Generalfeldmarschall Erwin Rommel benannt. Bundeswehr-General Dotzler (kleines Foto) meint: "Die Wehrmacht kann keine Tradition stiften."
dpa Die Kaserne in Dornstadt ist heute noch nach Hitlers Generalfeldmarschall Erwin Rommel benannt. Bundeswehr-General Dotzler (kleines Foto) meint: "Die Wehrmacht kann keine Tradition stiften."

München - Der General des Landeskommandos Bayern, Helmut Dotzler, hält es für erforderlich, dass die Bundeswehr sich komplett von der Wehrmachtstradition löst. Helmut Dotzler (60) stammt aus Erlangen. Seit 2013 ist er Kommandeur des Landeskommandos Bayern in der Münchner Fürst-Wrede-Kaserne. "Institutionen, Personen und Handlungen, die menschenverachtend, rassistisch und verbrecherisch sind, können keine Tradition stiften", sagte er im Interview. "Das ist es, was für die Wehrmacht gilt." Auch die Namen von Kasernen müssten sich nach dem neuen Traditionserlass richten. Umbenennungen seien aber nicht allein von der Truppe zu entscheiden, sondern gemeinsam mit der jeweiligen Gemeinde oder Stadt.

Der Militärhistoriker Wolfram Wette hat der Bundeswehr in der Süddeutsche Zeitung vorgeworfen, sie habe einen "Kämpfer-Kult"" und "Probleme mit politischem Pluralismus". Sehen Sie das auch so?
HELMUT DOTZLER: Das kann ich nicht nachvollziehen. Wie kann Herr Wette das denn belegen? Wir sind eine Armee, die fest in der parlamentarischen Demokratie verwurzelt ist. Alle Entscheidungen über die Entsendung bewaffneter Streitkräfte gehen durchs Parlament.

Aber auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat der Bundeswehr wegen einzelner Fälle von Rechtsextremismus, Mobbing und sexueller Belästigung ein "Haltungsproblem" bescheinigt. Gibt es das noch?
Das hat es für meine Begriffe so nicht gegeben. Es gab Fälle, die allesamt konsequent mit rechtsstaatlichen Verfahren behandelt wurden. Ich glaube nicht, dass sie die Truppe unter Generalverdacht gestellt hat.

Zieht die Bundeswehr nicht auch Rechtsextreme an?
Wir haben ein sehr sorgfältiges Auswahlsystem in den Karrierecentern. Bevor jemand zur Bundeswehr kommt, wird er überprüft auf Verlässlichkeit. Wegschauen geht gar nicht - und wird auch nicht gemacht. Wenn später ein Verhalten auftritt, das nicht in Ordnung ist, dann hat das Konsequenzen. Dienstaufsicht ist eine Kernfunktion der Vorgesetzten. Da kann sich keiner rausreden. Durch Führung, politische Bildung und Wertevermittlung muss sich ein Klima des Vertrauens ausprägen.

Welche Werte vermittelt denn die Bundeswehr?
Als bedeutendste möchte ich nennen Achtung der Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit, Verpflichtung auf Freiheit und Frieden und Toleranz. Staatsbürgerliches Bewusstsein und Handeln im Sinne des Grundgesetzes sind Schlüsselkompetenzen eines jeden Angehörigen der Bundeswehr.

Herr Wette schlägt vor, dass unter diesen Vorzeichen keine Kasernen mehr nach Wehrmachtsoffizieren wie Erwin Rommel benannt werden sollten, stattdessen nach Revolutionären von 1848/49 und 1918/19.
Es gibt bald den neuen Traditionserlass, nach dem sich die Namen zu richten haben. In der Praxis entscheidet es dann sicherlich nicht allein die Truppe, sondern das wird mit der Kommune zu besprechen sein. Dann geht es seinen Gang durch die Hierarchie.

In welcher Tradition sieht sich die Bundeswehr denn? Wie viel Wehrmacht steckt in ihr heute?
Institutionen, Personen und Handlungen, die menschenverachtend, rassistisch und verbrecherisch sind, können keine Tradition stiften. Das ist es, was für die Wehrmacht gilt.

Die Bundeswehr hat sich bisher aber stark auf die Widerstandsgruppe der Wehrmacht rund um Graf von Stauffenberg berufen.
Der neue Traditionserlass besagt vereinfacht gesprochen: Lasst uns doch auf die Bundeswehr selber blicken, auf die über 60 Jahre, die eine völlig eigene Historie begründen. Dass wir uns in diesem Sinne stärker auf uns selbst fokussieren, halte ich für einen außerordentlich erfreulichen Weg.

Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) hat in seinem Jahresbericht das marode Material und zu geringe Personal der Bundeswehr bemängelt. Können Sie das für Bayern bestätigen?
Ich möchte Bayern diesbezüglich nicht mit anderen Bundesländern vergleichen. Wir haben in Bayern zwei Brigaden, die rund um die Uhr in Einsatzverpflichtungen stehen. Die brauchen dringend ihr Material. Wenn Herr Bartels beschreibt, dass wir Defizite haben, dann ist dies durchaus zutreffend. Das ist der Ministerin ja auch bewusst. Nur ist das Verteidigungsressort da leider nicht alleinbestimmend in der Mittelzuteilung, sondern Teil des Haushaltsplans der Bundesregierung. Sie ist die erste Ministerin seit langem, die für mehr Geld und Aufwuchs für die Bundeswehr gesorgt hat.

Cyber-Krieger: "In München ist die Konkurrenz besonders hart"

Reicht denn das Geld?
Ob Geld reicht oder nicht, unterliegt gelegentlich einer subjektiven Einschätzung. Wir können unseren Einsatzverpflichtungen nach meiner Bewertung jedenfalls in vollem Umfang nachkommen.

Das heißt, Sie sehen sich von der Gesellschaft und Politik insgesamt auch ausreichend unterstützt?
Das kann ich für Bayern ausdrücklich bestätigen. Da steht die Bevölkerung wie eine Eins hinter uns.

Aber auch in Bayern haben Sie Schwierigkeiten, Nachwuchs zu finden.
Im letzten Jahr hatten wir speziell was den Führungsnachwuchs angeht, also Abschlüsse mit Abitur und Fachabitur, eine deutliche Steigerung: ein Drittel mehr Zuspruch. Aber die Konkurrenz ist hart, besonders im IT-Bereich.

Zum Beispiel?
Wenn Sie allein in München die Konkurrenz betrachten: Firmen wie Microsoft, O2, IBM, Siemens für den Bereich Cyber/IT - da müssen wir uns schon strecken. In und um München ist Nachwuchsgewinnung besonders schwer, aber in der Region schaut's nicht schlecht aus.

Im vergangenen Jahr gab es erstmals eine mehrtägige Anti-Terror-Übung von Polizei und Bundeswehr. Unter anderem wurde dabei ein Anschlag auf den Münchner Hauptbahnhof simuliert. In diesem Jahr ist eine Neuauflage geplant, oder?
Die Übung fand unter Federführung des Bundesinnenministeriums mit Unterstützung des Bundesverteidigungsministeriums statt, so wie das im Weißbuch steht. Wir müssen im Zuge der gesamtstaatlichen Sicherheitsvorsorge näher zusammenrücken. Das haben wir getan, und es ist auch gewünscht, dass wir das in Länderzuständigkeit fortsetzen.

Es gibt auch Überlegungen, eine neue Heimatschutzeinheit aufzubauen.
Das eine, die Antiterror-Übung, hat mit dem anderen, dem Heimatschutz, nichts zu tun. Die Übung zur Abwehr von Szenarien machen wir ja in den bestehenden Strukturen mit den aktuellen Möglichkeiten und gesetzlichen Rahmenbedingungen. Zum Thema Heimatschutz im Rahmen der Landesverteidigung hat es nach meiner Kenntnis letztes Jahr eine Initiative aus dem Reservistenverband gegeben. Da bin ich momentan sehr zurückhaltend.

Warum?
Es obliegt erst einmal dem ministeriellen Bereich, den Vorschlag zu bewerten und festzustellen: Wie prägt man das aus im künftigen Fähigkeitsprofil der Bundeswehr? Wenn daraus eine neue Struktur entstehen sollte, werde ich diese sehr gerne unterstützen.

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