BSW will Wahlergebnis womöglich anfechten: Das sagt ein Experte

Welche Chancen hat das BSW auf eine Anfechtung der Bundestagswahl? Das sagt ein Experte zu den Möglichkeiten. Was Auslandsdeutsche damit zu tun haben.
von  Heidi Geyer
Sahra Wagenknecht hat angekündigt, möglicherweise rechtlich gegen das Ergebnis der Bundestagswahl vorzugehen.
Sahra Wagenknecht hat angekündigt, möglicherweise rechtlich gegen das Ergebnis der Bundestagswahl vorzugehen. © dpa

Berlin/Gröbenzell - Das BSW hat angekündigt, womöglich rechtlich gegen die Bundestagswahl vorgehen zu wollen. Denn viele Deutsche im Ausland haben Schwierigkeiten gehabt, zu wählen. So hat Medienberichten zufolge beispielsweise der deutsche Botschafter in London keine Wahlunterlagen bekommen. Noch liegen keine genauen Zahlen vor, doch es scheint sich nicht um Einzelfälle zu handeln.

Nur weil es knapp war, heißt das noch nichts

Verfassungs- und Menschenrechtsbeschwerden sind das Spezialgebiet von Thomas Hummel, Anwalt aus Gröbenzell. Er weist erst einmal darauf hin, dass das BSW nur deshalb, weil das Wahlergebnis knapp war, keinen Anspruch auf rechnerische Nachprüfung habe.

"Aber sobald das endgültige Wahlergebnis vorliegt, kann man einen Wahleinspruch erheben", sagt Hummel. Dieser muss begründet sein durch konkrete Anhaltspunkte. "Etwa eine Urne, die nicht zur Auszählung kam oder Wähler, die am Wahllokal abgewiesen wurden." Grundsätzlich könne jeder Bürger einen solchen Einspruch einlegen, wobei es nicht nur um die Verletzung eigener Rechte gehe: "Sondern auch ganz allgemeine Verletzungen von Wahlrechten."

Der Wahleinspruch selbst ist ein zweistufiges Verfahren. Erst einmal prüft der neu gewählte Bundestag selbst über seinen Wahlprüfungsausschuss, ob alles rechtens war. Laut Hummel muss man diesen als eher stumpfes Schwert sehen: "Die Abgeordneten werden sich wohl eher selten ihre eigene Wahl entziehen."

Sobald die Entscheidung steht und der Einspruch zurückgewiesen worden ist, kann man eine Wahlprüfungsbeschwerde einlegen, über die das Bundesverfassungsgericht entscheidet. Einsprüche gebe es pro Wahl Hunderte Male, so Hummel. Ein Großteil werde aber praktisch ausnahmslos zurückgewiesen.

Enger Zeitraum ist bedingt durch das Grundgesetz

Der knappe Wahltermin, den das BSW genannt hatte, zählt aus Sicht von Hummel nicht als guter Grund. "Denn der Kanzler trifft die Entscheidung, die Vertrauensfrage zu stellen." Dann folgt alles dem Gang des Grundgesetzes: Sobald der Bundestag aufgelöst ist, müssen binnen 60 Tagen Neuwahlen stattfinden." Auch wenn das faktisch ein sehr enger Zeitraum mit administrativen Problemen sei. Problematisch findet Hummel die Probleme bei den Auslandsdeutschen. Auch bei ihm haben sich schon Mandanten gemeldet, die nicht wählen konnten - etwa aus der Schweiz. Obwohl sie den Antrag rechtzeitig gestellt hatten. Aber: "Ob das für die Wahlanfechtung reicht, muss man schauen."

Denn hier gelte die sogenannte Mandatsrelevanz, was bedeutet, dass der Fehler an der Verteilung der Bundestagsmandate etwas ändert.

213.000 Deutsche im Ausland wollten wählen

Wie die Chancen auf Klage bei den Auslandsdeutschen stehen, kann Hummel noch nicht einschätzen. Laut Bundeswahlleiterin handelt es sich um 213.000 Personen, die sich in einem Wählerverzeichnis eintragen haben lassen. Hummel vermutet, dass sich das Bundesverfassungsgericht anschauen wird, ob sich durch alle diejenigen, die nicht wählen konnten, eine Veränderung bei den Mandaten ergeben werde.

"Es kommt einfach darauf an, wem der Fehler zuzurechnen ist." Dass so viele Auslandsdeutsche Schwierigkeiten hatten, scheine schon eher ein Wahlfehler des Staates zu sein.

Das Bundesverfassungsgericht könne diesen aber auch anerkennen und dennoch das Ergebnis nicht aushebeln, sondern nur darauf abzielen, den Missstand bis zur nächsten Wahl zu beheben.

Ohnehin wäre nicht bald mit einer Entscheidung zu rechnen. Hummel hat einen Einspruch zur Bundestagswahl 2021 begleitet. Die Entscheidung fiel erst vor sechs Monaten.

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